Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
erglühst,
um alles auf dein Weltbild zu beschränken,
sie ist es, die, noch wenn man stirbt,
den letzten Atemzug verdirbt,
um deinen Blick von dir auf andere zu lenken.
Du spürst, sie will, dass man sich stellt,
vor allem dem, was nicht gefällt,
wenn du sie nicht mehr fühlst, dann bist du tot.
Selbst wenn du flüchtest, du verbrennst,
wenn du sie nicht beim Namen nennst,
denn sie ist weiter in der Welt – die Not.
Wer seine Werte selbst bestimmt
und wer sich auf sich selbst besinnt,
ist marktwirtschaftlich nicht mehr zu gebrauchen.
Das ist nicht gern gesehn zurzeit.
Verdient wird an Beliebigkeit,
und schließlich muss der Schornstein immer rauchen.
Deshalb bleibt manches Lied gezielt
sich selbst umkreisend ungespielt.
Es könnte beim Verdrängen stören.
Und doch, wir können nicht umhin,
wir ahnen es tief in uns drin:
Es ist gefährlich, zu oft wegzuhören.
Du spürst: es will, dass man sich stellt
und nicht nur dem, was dir gefällt.
Es bleibt nur dies: Du musst dir alles geben.
Und wenn du flüchtest, du verbrennst,
wenn du es nicht beim Namen nennst.
Denn alles das und mehr: Das ist das Leben.
Vaterland (2001)
Was ist das nur, ein Vaterland –
in welchen Grenzen wohnt es,
in denen wie vor hundert Jahrn?
Wen hasst es, wen verschont es?
Und was verbindet uns mit ihm,
sein Reichtum, seine Siege?
Wie schnell hat man ihm doch verziehn
die Toten und die Kriege.
Was lässt mich stolz sein auf ein Land,
nur weil es nicht so arm ist
wie andre, wo’s vielleicht dafür
dem Volk im Herzen warm ist?
Und hätte nicht ein Mutterland
– ich weiß, das gibt es nicht –
für alle, die ihm anvertraut,
ein lieberes Gesicht?
Was ist das nur, ein Vaterland?
Was ist das nur, ein Vaterland,
ist es dein Fleisch und Blut?
Macht es dir, wenn du rebellierst,
zum freien Denken Mut?
Ist es ein Vater, der dich stets
auch über Klippen führt,
oder ein sturer alter Mann,
der dir den Hals zuschnürt?
Willst du an dieses Vaters Hand
wirklich in schweren Zeiten
voll Zuversicht zu diesem Band
durch Höhn und Tiefen schreiten?
Liebt dich denn dieser Vater auch?
Wie wirst du ihn beerben?
Lässt er dich ohne Eifersucht
wirklich erwachsen werden?
Vom Untertan zum Bürger werden?
Genügt es denn, nur Kind zu sein,
dass man sich erst beschwert,
wenn einen dieser Vater Staat
nicht wie gewohnt ernährt?
Und müssten wir nicht endlich auch
den Vater uns erziehen,
ihn fordern mit Ideen, mit
Visionen, Utopien?
Was soll das noch, ein Vaterland
in den vernetzten Zeiten?
Wollen wir denn wirklich immer noch
um Blut und Rasse streiten?
Nicht spreche ich von Heimat,
ihren Kindheitszauberorten,
den Klängen, den Gerüchen,
all den wohlvertrauten Worten.
Und Heimat ist doch überall,
wo man sich damit segnet,
dass man, für Augenblicke nur,
sich endlich selbst begegnet.
Nur dieses arg missbrauchte Wort
lässt sich für mich nicht fassen.
Ich kann den Ausdruck Vaterland
nicht lieben und nicht hassen.
Und glaubt mir, Freunde, mir genügt
mein Vater zur Genüge.
Ein ganzes Land als Vater war
schon immer eine Lüge.
Allein
Da waren doch so viele Tage
und sie verflogen im Nu.
Und jetzt bleibt die quälende Frage:
Wozu?
Wozu nur dieses Gegockel
und all die Angeberein.
Am Ende fällst du vom Sockel.
Allein.
Alleine mit deinen Migränen,
trotz Rente und Zugewinn.
Es fehlte den Lebensplänen
der Sinn.
Askese und Ekstase,
du warst nie wesentlich.
Nur eine Seifenblase:
dein Ich.
Das meiste war unverständlich,
trotz Stunden des Lichts.
Wie alles zerfällst du letztendlich
in nichts.
Warum sich ans Leben krallen,
lass aus und lass dich ein.
Du findest nur im Zerfallen
dein Sein.
Variationen über ein Gedicht von Erich Fried
So friedliebend bin ich nun wieder nicht,
dass ich meinen Frieden mache mit den Kriegen
und mit denen,
die Kriege führen,
und mit denen, die Kriege führen, um Frieden zu machen.
Aber Steine werfe ich keine,
denn mich dauern die Steine,
die man würfe gegen jene,
die Kriege machen
und denen Kriege so selbstverständlich geworden sind,
dass ihnen Frieden nur mit Krieg
erreichbar scheint.
Frieden ist nicht einfach ein Zustand zwischen zwei Kriegen,
sondern die Überwindung des Kriegs
und des Kriegerischen in uns.
Und so friedliebend bin ich nun wieder doch,
mich überwinden
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