Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Sommerregen
voller Inbrunst hinzugeben?
Lieber mit den Wolken jagen,
statt sich mit der Zeit zu plagen.
Glück ist flüchtig, kaum zu fassen.
Es tut gut, sich sein zu lassen.
Einfach wieder schlendern,
ohne höhren Drang.
Absichtslos verweilen
in der Stille Klang.
Einfach wieder schweben,
wieder staunen und
schwerelos versinken
in den Weltengrund.
Einfach wieder schlendern,
über Wolken gehn
und im totgesagten Park
am Flussufer stehn.
Mit den Wiesen schnuppern,
mit den Winden drehn,
nirgendwohin denken,
in die Himmel sehn.
Gelebtes Leben
Oliven im Lichterwirbel,
unersättliches Blau,
Hügel, sanft sich verbeugend,
Rosen. Allerleirauh.
Schwirrende, flirrende Gäste,
Thymian und Wein.
Falter feiern Feste.
Südwinde laden sie ein.
Es sind die letzten Stunden,
Herbst im Sommergewand.
Keine Zeit zum Gesunden.
Sensen ziehn übers Land.
Bald wirst du dich verweben
mit Winter, Tod und Eis.
Doch für gelebtes Leben
braucht’s keinen Beweis.
Alles muss heiliger Tanz sein,
Liebe und Lust und Streit.
Wenigstens muss es ganz sein,
dann bin ich bereit.
Ich hasse die halben Sachen,
sie öden mich schrecklich an.
Leben ist lieben und lachen
und sterben dann und wann.
Du gib dich mir im Ganzen
und tanze dich in mich hinein.
Auch ich werd mich in dir verschanzen,
um gänzlich glücklich zu sein.
Doch schon nach wenigen Stunden
lassen wir uns wieder los
und tanzen unumwunden
in einen anderen Schoß.
Die Liebe will immer frei sein,
sie fügt sich keinem Gebot.
Auch wenn du noch so klammerst
in deiner Wüstennot –
wer frei sein will, befreie!
Liebe, dann wirst du geliebt.
Willst du Vergebung? Verzeihe!
Und empfangen wird nur, wer gibt.
Gefrornes Licht
Wenn durch den Dom von sommergrünen Bäumen
die Lichter wie ein Segen niedergehn
und als Kristalle in den Zwischenräumen
von Laub und Ast und Himmel stehn,
da ahnst du, dass, was scheinbar fest gefügt
und uns sich als die Wirklichkeit erschließt,
nichts als ein Bild ist, das sich selbst genügt,
durch das verträumt ein großer Atem fließt.
Du magst es greifen, du begreifst es nicht.
Was du auch siehst, ist nur gefrornes Licht.
Wenn sich in solchen seltnen Stunden
des Daseins Schönheit leise offenbart,
weil sich – sonst nie so leicht verbunden –
das Ahnen mit Erleben paart,
dann zögre nicht, dich zu verwandeln,
nimm diese Stunde tief in dich hinein.
So aus der Zeit erübrigt sich das Handeln
und in der Leere offenbart sich erst dein Sein.
Du magst es greifen, du begreifst es nicht.
Was du auch siehst, ist nur gefrornes Licht.
Quassim heißt die schöne Blume,
und Quassim, diese schöne Blume Ägyptens,
fuhr mich vom Flughafen nach Hause
in seinem Taxi.
Und Quassims schöne Augen strahlten wie Amethyst
und spiegelten den Glanz der Revolution wider,
den Glanz der Gewaltfreiheit und der Liebe.
Er erzählte mir von seinem Bruder
und wie er wie durch ein Wunder Mubaraks Schergen entkam,
und von den tapferen Frauen seines Landes,
und dass auch er geglaubt habe,
die Diktatur wäre auf ewig in Stein gemeißelt
wie die Inschriften der Pyramiden.
Und er sprach von der Freude über jeden Vers der Solidarität,
gerade auch aus Deutschland, diesem Land, in dem er so gerne lebe,
und von der Enttäuschung über die leeren Worthülsen der Politiker,
die nicht den Mut hatten, sich von ihrem Folterknecht öffentlich loszusagen.
Und dann umarmten wir uns. Denn diese Revolution ist auch unsere,
und wir sind Ägypter und Tunesier und Libyer in diesen Tagen.
Es ist ein Aufstand
des Lächelns gegen die Starrheit,
des Weiblichen gegen das Unerbittliche,
der Naiven gegen die Abgebrühten.
Und auch wenn die Revolution der Liebe
noch lange dauern wird –
auch Revolutionen müssen lernen –,
dieses Kapitel der Geschichte ist geschrieben
und kann nicht mehr getilgt werden
aus dem Gedächtnis der Menschheit.
Wut und Zärtlichkeit
Mit dem Alter und der Plage
stellt sich irgendwann die Frage:
Ist es besser zu erkalten,
lässt man alles schön beim Alten?
Soll man sich die Wunden lecken,
legt sich in gemachte Betten,
statt die Kissen mit Gefühlen
alten Trotzes aufzuwühlen?
Oder kann man immer weiter
wachsam sein und dennoch heiter,
soll man weiter revoluzzen
oder doch Laternen putzen?
Kann man wütend sein und weise,
laut sein und im Lauten
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