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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Möchte gerne wissen, wie lange ihr hier noch sicher sitzen würdet, wenn wir nicht wären. Letzten Endes: der ganze Staat, das ist die Gestapo. Ohne uns bräche alles zusammen - und ihr ginget alle zum Henker!»
    Frau Hete beschließt
    Dem Kommissar Escherich wie seinen beiden Spionen vom Alex wäre es wohl recht seltsam zu vernehmen gewesen, daß der kleine Enno Kluge gar nichts davon geahnt hatte, daß er beschattet wurde. Sondern von dem Augenblick an, als ihn Assistent Schröder endgültig in die Freiheit entließ, hatte er nur den einen Gedanken: Bloß fort von hier und zur Hete!
    Er lief durch die Straßen und sah keine Menschen, er ahnte nicht, wer hinter und wer neben ihm war. Er sah nicht hoch, er dachte bloß: Hin zu Hete!
    Der Schacht der U-Bahn verschluckte ihn. Er stieg in einen Zug und entrann so für dieses Mal dem Kommissar Escherich, den Herren vom Alex und der ganzen Gestapo.
    Enno Kluge hatte sich entschlossen: Er fuhr erst noch einmal zur Lotte und holte seine Sachen. Er wollte gleich mit seinem Koffer bei der Hete anrücken, da sah er denn, ob sie ihn wirklich liebte, und er bewies ihr, daß er mit seinem alten Leben Schluß machen wollte.
    So kam es, daß ihn seine Beschatter im Gedränge und schlechten Licht der U-Bahn aus dem Auge verloren. Er war ja wirklich nur ein Schatten, dieser schmächtige En-no! Wäre er aber gleich zu der Hete gegangen - und zum Königstor konnte er ja vom Alex aus gut zu Fuß gehen, da brauchte er keine U-Bahn -, so hätten sie ihn nicht verloren und hätten in der kleinen Tierhandlung immer wieder einen Ausgangspunkt für ihre Beobachtungen gehabt.
    Mit der Lotte hatte er Glück. Sie war nicht zu Hause, und eilig packte er seine paar Sachen in den Handkoffer.
    Er widerstand sogar der Versuchung, ihre Sachen zu durchstöbern, ob er etwa einiges zum Mitnehmen Brauchbares fände - nein, diesmal sollte es anders werden.
    Nie wieder wie damals sollte es kommen, als er in das enge Zimmer des kleinen Hotels einzog, nein, diesmal wollte er wirklich ein anderes Leben führen - wenn die Hete ihn aufnahm.
    Immer langsamer ging er, je näher er dem Laden kam.
    Immer häufiger setzte er den Koffer ab, und so schwer war der gar nicht. Immer öfter wischte er den Schweiß von der Stirn, und so heiß war es auch nicht.
    Dann stand er vor dem Laden und spähte durch die blanken Gitterstäbe der Vogelkäfige hinein: ja, Hete war an der Arbeit. Sie bediente grade; vier, fünf Kunden standen im Laden. Er stellte sich zu ihnen und sah stolz und doch zitternden Herzens zu, wie geschickt sie die Kunden abfertigte, wie höflich sie mit ihnen sprach.
    «Indische Hirse gibt es nicht mehr, meine Dame. Das müßten Sie doch wissen, wo Indien zum Empire gehört.
    Aber bulgarische Hirse habe ich noch, die ist viel besser.»
    Und sagte mitten aus der Bedienung heraus: «Ach, Herr Enno, das ist nett, daß Sie mir ein bißchen helfen wollen.
    Den Koffer setzen Sie am besten in die Stube. Und dann holen Sie mir bitte gleich Vogelsand aus dem Keller. Katzensand brauche ich auch. Und dann Ameiseneier ...»
    Und während er mit diesen und anderen Aufträgen vollauf beschäftigt war, dachte er: Sie hat mich gleich gesehen, und sie hat auch sofort gesehen, daß ich einen Koffer mit habe. Daß ich ihn in die Stube setzen durfte, ist ein gutes Zeichen. Aber sicher wird sie mich erst ausfragen, sie nimmt alles so schrecklich genau. Aber ich werde ihr schon irgendeine Geschichte erzählen.
    Und dieser Mann um die Fünfzig, dieser alt gewordene Herumtreiber, Nichtstuer und Weiberheld betete wie ein Schulkind: Ach, lieber Gott, laß mich doch noch einmal
    Glück haben, nur dieses einzige Mal noch! Ich will auch ganz bestimmt ein anderes Leben anfangen, nur mach, daß mich die Hete aufnimmt!
    So betete, bettelte er. Und dabei wünschte er doch, daß es noch recht lange hin bis zum Ladenschluß sein möchte, bis zu dieser ausführlichen Aussprache und seinem Geständnis, denn irgend etwas gestehen mußte er der Hete, das war klar. Wie sollte er ihr sonst begreiflich machen, warum er hier mit Sack und Pack angerückt kam, und mit einem so dürftigen Sack und Pack dazu! Er hatte doch vor ihr immer den großen Mann gespielt.
    Und dann war es plötzlich soweit. Schon längst war die Ladentür geschlossen, anderthalb Stunden hatte es dann noch gekostet, all seine Bewohner mit frischem Wasser und Futter zu versehen und den Laden aufzuräumen. Nun saßen die beiden einander gegenüber an dem runden Sofatisch, hatten

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