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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihm gewesen ist.
    Wie stets ist sein Geständnis nur ein Teilgeständnis, ein wenig Wahrheit mit viel Lüge untermischt. Er zeichnet das Bild seiner Frau, dieser harten, bösen Nazistin auf dem Postamt, die den Mann nicht bei sich dulden will, weil er nicht in die Partei eintreten mag. Diese Frau, die seinen ältesten Sohn gezwungen hat, in die SS einzutreten - und er berichtet von den Greueltaten Karlemanns.
    Er entwirft ein Bild dieser ungleichen, schlechten Ehe, der stille, geduldige, alles ertragende Mann und die böse, ehrgeizige, nazistische Frau. Sie können ja nicht zusammen leben, sie müssen einander ja hassen. Und nun hat sie ihn aus der Wohnung hinausgetrieben! So hat er seine Hete belogen, aus Feigheit, weil er sie zu sehr liebt, weil er ihr keinen Schmerz bereiten wollte!
    Aber jetzt hat er sich freigesprochen. Nein, jetzt weint er nicht mehr. Er wird aufstehen und seine Sachen packen und von ihr gehen - in die schlimme Welt hinaus. Er wird sich schon irgendwo vor der Gestapo verbergen, und wenn die ihn doch erwischen, so macht das auch nicht viel aus.
    Jetzt, wo er Hetes Liebe, die einzige Frau, die er wirklich im Leben geliebt hat, verlor!
    Ja, er ist ein recht gerissener alter Frauenverführer, dieser Enno Kluge. Er weiß schon, wie man es anpacken muß bei diesen Weibern: Lieben und Lügen, das geht alles in
    einem hin. Es muß nur ein bißchen Wahres dazwischen sein, sie muß nur ein bißchen von dem Zeug glauben können, das man erzählt, und vor allem muß man stets die Tränen bereit halten und die Hilflosigkeit ...
    Frau Hete hat diesmal mit einem wahren Schrecken sein Geständnis gehört. Warum hat er sie nur so angelogen?
    Als sie sich kennenlernten, lag doch noch gar kein Grund für solche Lügen vor! Hatte er denn damals schon Absichten auf sie gehabt? Dann können es nur schlimme Absichten gewesen sein, wenn sie zu solchen Lügen Anlaß wurden.
    Ihr Instinkt sagt ihr, daß sie ihn wegschicken muß, daß ein Mann, der fähig ist, eine Frau vom ersten Anfang an so bedenkenlos zu täuschen, auch stets bereit sein wird, sie später zu belügen. Und mit einem Lügner kann sie nicht zusammen leben. Sie hat immer ein sauberes Leben gelebt mit ihrem ersten Mann, und diese paar kleinen Geschichten, die es seit seinem Tode gab, über so etwas lächelt eine erfahrene Frau nur.
    Nein, aus ihren Armen noch würde sie ihn gehen lassen
    - wenn sie ihn nicht grade dem Feind in die Arme jagte, der verhaßten Gestapo. Denn sie ist fest überzeugt, daß sie das tut, wenn sie ihn jetzt gehen heißt. Diese ganze
    Verfolgung durch die Gestapo, die nimmt sie seit seiner Erzählung am Abend für bare Münze. Sie kommt nicht einmal auf den Gedanken, an ihrer Wahrheit zu zweifeln, obwohl sie ihn doch eben erst als Lügner kennengelernt hat.
    Und dann ist da diese Frau ... Es ist nicht möglich, daß alles, was er über diese Frau gesagt hat, unwahr ist. So etwas denkt sich kein Mensch aus, da muß etwas Wahres daran sein. Sie glaubt den Mann doch zu kennen an ihrer Seite, ein schwaches Geschöpf, ein Kind, gutartig eigentlich: mit ein paar freundlichen Worten ist er zu leiten.
    Aber diese Frau, hart, ehrgeizig, diese Nazistin, die durch die Partei hochkommen will, für die war natürlich ein solcher Mann nichts, ein Mann, der die Partei haßte, vielleicht insgeheim gegen sie arbeitete, ein Mann, der sich weigerte, in die Partei einzutreten!
    Konnte sie ihn zurückjagen zu solcher Frau? Der Gestapo in die Arme?
    Sie konnte es nicht, und so durfte sie es auch nicht.
    Das Licht geht an. Da steht er schon neben ihrem Bett, in einem viel zu kurzen blauen Hemdchen, stille Tränen rinnen jetzt über sein blasses Gesicht. Er beugt sich über sie, er flüstert: «Adieu, Hete! Du bist sehr gut zu mir gewesen, aber ich verdiene es nicht, ich bin ein schlechter Mensch.
    Adieu! Ich gehe jetzt ...»
    Sie hält ihn fest. Sie flüstert: «Nein, du bleibst bei mir.
    Ich habe es dir versprochen, und ich halte mein Versprechen. Nein, sag nichts. Geh jetzt bitte auf das Sofa und versuche, noch ein bißchen zu schlafen. Ich will überlegen, wie alles am besten einzurichten ist.»
    Er schüttelt langsam und traurig den Kopf. «Hete, du bist zu gut für mich. Ich will alles tun, was du sagst, aber wirklich, Hete, es ist besser, du läßt mich gehen.»
    Aber natürlich geht er nicht. Natürlich läßt er sich überreden, zu bleiben. Sie wird alles überlegen, alles ordnen.
    Und natürlich erreicht er auch, daß die Verbannung zum Sofa

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