Jeder stirbt für sich allein
doch Essig.»
Frau Hete sah ihn mit einem schwachen Lächeln an.
«Das ist ja alles schön und gut, Herr Borkhausen», sagte sie dann. «Aber grade weil Sie ein so guter Freund von dem Enno sind, werden Sie verstehen, daß ich jede Sicherheit für ihn haben muß. Wenn ich das Geld überhaupt auftreiben kann.»
Borkhausen machte eine beschwichtigende Bewegung, die sagen sollte, daß es daran bei einer Frau, wie sie war, nie fehlen könnte.
«Nein, Herr Borkhausen», fuhr Frau Hete fort, denn sie sah
ja, für Ironie war er nicht empfänglich, sie mußte schon ganz offen mit ihm reden, «wer steht mir denn da-für, daß Sie mein Geld jetzt nicht nehmen ...»
Borkhausen wurde ganz aufgeregt bei dem Gedanken, er könne die schwindelnde, die nie gesehene Summe von zweitausend Mark jetzt gleich bekommen ...
«... und vor der Tür steht ein Gestapoagent und nimmt den Enno fest? Da muß ich schon andere Garantien von Ihnen haben!»
«Es steht aber keiner vor der Tür, das schwöre ich Ihnen, Frau Häberle! Ich bin doch ein ehrlicher Mensch, wozu soll ich Sie denn belügen?! Ich komme direkt von Haus, da können Sie auch meine Otti danach fragen!»
Sie unterbrach den Aufgeregten: «Also überlegen Sie mal, was für eine Garantie Sie mir sonst noch geben können -außer Ihrem Wort?»
«Aber da gibt's doch gar keine! Das ist doch so 'n Geschäft, das beruht ganz allein auf Vertrauen. Und Vertrauen werden Sie doch zu mir haben, Frau Häberle, jetzt, wo ich so offen mit Ihnen gesprochen habe?»
«Ja, das Vertrauen ...» antwortete Frau Häberle gedankenlos, und dann versanken sie beide in ein langes Schweigen, er einfach abwartend, was sie wohl beschließen würde, sie sich den Kopf zergrübelnd, wie sie wenigstens ein Minimum von Sicherheit erreichen könnte.
Im Laden wirtschaftete unterdes der Enno Kluge. Er bediente die nun schon reichlicher strömende Kundschaft rasch und nicht ungeschickt, sogar zu Witzchen verstieg er sich schon wieder. Der erste Schreck, den er bei Borkhausens Anblick empfunden, war schon wieder verflogen.
Die Hete saß in der Stube und sprach mit Borkhausen, sie würde die Sache schon in Ordnung bringen. Aber daß sie die Sache in Ordnung brachte, das bewies, daß es ihr gar nicht ernst gewesen war mit der Drohung, ihn fortzuschicken. So war er nur erleichtert jetzt, und darum reichte es auch schon wieder zu Witzchen!
Hinten in der Stube brach Frau Häberle das lange Schweigen. Sie sagte entschlossen: «Also, Herr Borkhausen, ich habe mir das so überlegt. Ich will das Geschäft unter folgenden Bedingungen mit Ihnen abschließen .»
«Ja ...? Sagen Sie doch!» drängte gierig Borkhausen. Er sah seinen Lohn jetzt schon nahe.
«Ich gebe Ihnen zweitausend Mark, aber ich gebe sie Ihnen nicht hier. Ich gebe sie Ihnen in München.»
«In München?» Er glotzte dämlich. «Ich komme doch nie nach München! Was soll ich denn in München?»
«Wir gehen», fuhr sie fort, «jetzt zusammen auf das Postamt, und ich zahle eine Postanweisung auf zweitausend Mark an Sie ein: hauptpostlagernd München. Und dann bringe ich Sie auf die Bahn, und Sie fahren mit dem nächsten Zug nach München und holen sich dort das Geld. Auf dem Anhalter Bahnhof werde ich Ihnen noch zweihundert Mark für die Reise geben außer der Fahrkarte .»
«Nee!» rief Borkhausen erbittert. «So was mache ich nicht! Auf so was lasse ich mich nicht ein! Nachher fahre ich runter nach München, und Sie haben sich Ihre Anweisung von der Post zurückgeholt!»
«Ich werde Ihnen bei der Abfahrt die Einzahlungsquit-tung geben, dann kann ich das nicht tun.»
«Und München?» rief er wieder. «Wozu denn München? Wir sind doch ehrliche Menschen! Warum denn nicht hier, gleich jetzt hier im Laden, und es hat geschnappt! Nach München und zurück, da brauche ich doch mindestens zwei Tage und eine Nacht, und unterdes ist der Enno hier natürlich getürmt!»
«Aber, Herr Borkhausen, das hatten wir doch abgemacht, deswegen gebe ich Ihnen doch das Geld! Der Wellensittich sollte doch nicht in seinem Käfig bleiben. Ich meine, der
Enno soll sich doch verstecken können, dafür zahle ich Ihnen doch die zweitausend Mark!»
Mürrisch sagte Borkhausen, der darauf nichts Rechtes zu entgegnen hatte: «Und hundert Mark Spesen kriege ich auch noch!»
«Die kriegen Sie auch noch. In bar. Auf dem Anhalter.»
Aber auch diese Zusage konnte Borkhausens Stimmung nicht verbessern. Er blieb mürrisch. «München, ich hab noch nie so 'n Quatsch gehört! Es
Weitere Kostenlose Bücher