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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Enno. Da stand er noch immer, die Hand auf der Klinke, genau wie ihn die vertrauliche Ansprache Borkhausens überrascht hatte.
    Ein Bild hilfloser Angst. Nein, er hatte ihr nichts von diesem Treffen mit dem alten Bekannten gesagt, er hatte sogar behauptet, er hätte niemanden Bekanntes gesehen. Er hatte sie also wieder mal belogen - und sehr zu seinem eigenen Schaden hatte er das getan, denn nun war ja ganz klar, wie dieser Spitzel seine Zuflucht bei ihr gefunden hatte. Hätte er gestern abend schon etwas von diesem Bekannten gesagt, so hätte man ihn noch fortschaffen können .
    Aber dies war nicht der Augenblick, mit Enno Kluge zu hadern oder ihm seine Lügen vorzuwerfen. Dies war der Augenblick, zu handeln. Und so sagte sie denn noch einmal: «Also trinken wir eine Tasse Kaffee, Herr Borkhausen. Jetzt kommt noch nicht so viel Kundschaft, Enno, du paßt auf den Laden auf. Ich werde zuerst einmal mit deinem Freund reden ...»
    Jetzt war Frau Hete auch über das Zittern des Körpers hinaus. Sondern sie dachte nur daran, wie es damals mit ihrem Walter gegangen war, und diese Erinnerungen gaben ihr Kraft. Sie wußte, diesen Leuten gegenüber half kein Zittern, Klagen, Anrufen des Mitleids, sie hatten kein Herz, diese Henkerslieferanten von Hitler und Himmler.
    Sondern wenn eines half, so war es Mut, Nichtfeigesein, Nieangsthaben. Die glaubten, alle Deutschen seien feige, wie es jetzt der Enno war; aber sie war es nicht, Frau Hete, verwitwete Häberle, war es nicht.
    Sie erreichte durch ihr ruhiges Auftreten auch, daß die beiden Männer sich ihr widerspruchslos fügten. Im Abgehen zur Stube sagte sie noch: «Und keine Dummheiten, Enno! Kein sinnloses Fortlaufen! Denke daran, dein Mantel hängt in der Stube, und Geld wirst du auch kaum in der Tasche haben.»
    «Sie sind 'ne kluge Frau», sagte Borkhausen, indem er sich an den Tisch niedersetzte und zusah, wie sie ihm eine Kaffeetasse hinstellte. «Und energisch sind Sie auch, hätte ich gar nicht gedacht, wie ich Sie gestern abend zum erstenmal sah.»
    Ihre Blicke begegneten sich.
    «Na ja», setzte Borkhausen dann schnell hinzu, «eigentlich waren Sie gestern abend auch energisch, wie er da auf den Knien vor Ihnen rumrutschte, und Sie schlossen ihm die Tür vor der Nase ab. Sie werden sie ja wohl über Nacht
    nicht wieder aufgeschlossen haben - oder?»
    Ein wenig Rot war bei dieser schamlosen Anspielung in Frau Hetes Wangen gestiegen, die beschämende, die ekelhafte Szene von gestern abend hatte also sogar einen Zeugen gehabt, und solch widerlichen dazu! Aber sie faßte sich rasch und sagte: «Ich nehme an, Sie sind auch ein kluger Mann, Herr Borkhausen, wir wollen doch jetzt gar nicht von Nebensachen reden, sondern nur vom Geschäft.
    Ich nehme an, es kann ein Geschäft werden?»
    «Vielleicht, vielleicht sicher ...» beeilte sich Borkhausen zu beteuern, unwillkürlich eingeschüchtert von dem Tempo, das diese Frau vorlegte.
    «Sie wollen also», fuhr Frau Hete fort, «ein Paar Wellensittiche kaufen. Ich nehme an, um sie dann fliegen zu lassen. Denn wenn sie weiter im Käfig bleiben, haben die Sittiche doch nichts davon ...»
    Borkhausen kratzte sich den Kopf. «Frau Häberle», sagte er dann, «das mit den Sittichen, das wird mir zu kompliziert. Ich bin bloß ein einfacher Mensch, wahrscheinlich sind Sie viel schlauer als ich. Hoffentlich legen Sie mich nicht rein.»
    «Und Sie mich nicht!»
    «Keine Ahnung! Ich will ganz offen mit Ihnen reden, nichts
    von Sittichen und so. Ich sage Ihnen alles, wie es ist, die ganze Wahrheit. Ich habe nämlich von der Gestapo den Auftrag, von dem Kommissar Escherich habe ich ihn, wenn der Ihnen ein Begriff ist?» Frau Hete schüttelte den Kopf. «Also ich hab den Auftrag, zu ermitteln, wo der En-no steckt. Weiter nichts. Warum und wieso, davon habe ich keine Ahnung. Ich will Ihnen was sagen, Frau Häberle, ich bin ein ganz einfacher, offener Mensch ...»
    Er neigte sich zu ihr hinüber; sie sah ihm in die Augen, die stechend waren. Sein Blick irrte ab, der Blick des einfachen, offenen Menschen.
    «Ich habe mich eigentlich über den Auftrag gewundert, Frau Häberle, das will ich Ihnen ehrlich sagen. Denn wir beide wissen doch, was der Enno für ein Mensch ist, nämlich ein Garnichts, nur mit ein bißchen Rennwetten und Weibergeschichten im Kopf. Und nach diesem Enno jagt jetzt die Gestapo, und sogar noch die Politische Abteilung, wo alles Hochverrat und Kohlrübe-ab wird. Ich versteh das nicht - verstehen Sie das?» Er sah sie

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