Jeder stirbt für sich allein
Eigenmächtigkeiten duldete, alle diese Herren bei der Gestapo waren nicht so, und es war die einfachste Sache von der Welt für ihn, einen Mann ins KZ zu schicken. Vor dem KZ aber hatte Borkhausen eine gewaltige Angst.
Immerhin war er so weit von all den Verbrechergedan-ken und ihrer Moral angesteckt, daß er sich sagte, ein Ding, das zu drehen war, müsse auch gedreht werden, das gehörte sich nun einmal so. Und dieses Ding ließ sich unzweifelhaft drehen. Borkhausen würde die ganze Sache erst noch einmal beschlafen, und wenn es dann Morgen war, würde er wissen, ob er gleich zu Escherich ging oder erst bei Kluge vorschaute. Jetzt wollte er schlafen ...
Aber er schlief nicht ein, sondern überlegte, daß einer in dieser Sache zu wenig war. Er, Borkhausen, mußte ein wenig Beweglichkeit haben. Er mußte zum Beispiel rasch zu Escherich, und solange war der Enno Kluge ohne Bewachung. Oder wenn er die Dicke in die Zange nahm, lief unterdes der Enno womöglich fort. Nein, einer war zu wenig. Aber es gab keinen zweiten, dem er vertrauen konnte, und außerdem würde dieser zweite seinen Anteil an dem Geschäft verlangen. Und für Teilen war Borkhausen
gar nicht.
Schließlich fiel Borkhausen ein, daß unter seinen fünf Gören doch auch ein Sohn von dreizehn Jahren war, unter Umständen sogar sein Sohn. Er hatte immer das Gefühl gehabt, daß dieser Bengel mit dem piekfeinen Namen KunoDieter vielleicht doch von ihm sein könne, trotzdem die Otti stets behauptet hatte, er sei von einem Grafen, einem Großgrundbesitzer aus Pommern. Aber Otti war immer eine Angeberin gewesen, wie schon der Vorname des Jungen - nach seinem angeblichen Vater - bewies.
Mit einem schweren Seufzer entschloß Borkhausen sich, den Jungen als Reserveaufpasser mitzunehmen. Das würde nicht mehr als ein bißchen Krach mit der Otti und ein paar Mark für den Jungen kosten. Dann fingen Borkhausens Gedanken von neuem an, über alledem zu kreisen, wurden langsam undeutlicher, und schließlich war er doch eingeschlafen.
Hübsche kleine Erpressung
Es war bereits berichtet worden, daß Frau Hete Häberle und Enno Kluge an diesem Morgen fast ohne Worte miteinander frühstückten und im Laden arbeiteten, beide blaß von einer fast durchwachten Nacht und stark mit ihren Gedanken beschäftigt. Frau Häberle dachte daran, daß En-no morgen unbedingt aus dem Hause müsse, Enno, daß er sich keinesfalls fortschicken lassen würde.
In diese Stille trat als erster Kunde ein langer Mann und sagte zu Frau Häberle: «Hörense mal, Sie haben da so ein paar Wellensittiche im Fenster. Was soll denn ein Paar von denen kosten? Es müßte aber ein Pärchen sein, ich bin immer für Pärchen gewesen ...» Und Borkhausen fuhr herum, in gespieltem Erstaunen, in absichtlich schlecht gespieltem Erstaunen rief er den Kluge an, der sich eben sachte in die Hinterstube des Ladens verdrücken wollte:
«Aber das bist du doch, Enno! Nanu, ich rede, ich kieke, ich denke, das kann doch nicht der Enno sein, was soll denn der Enno in so 'nem kleinen Tierzoo? Und nun bist du es doch, Kumpel! Na, was machste denn noch so, Kumpel?»
Enno war, die Klinke in der Hand, wie gebannt auf seinem Platz stehengeblieben, gleich unfähig, fortzulaufen und zu antworten.
Frau Hete aber starrte den langen Mann, der so freundlich auf Enno einredete, mit großen Augen an, ihre Lippen fingen an zu zittern und die Knie wurden ihr weich. Da war sie also doch, die Gefahr, alles war also nicht gelogen, was Enno erzählt hatte von seiner Bedrängnis durch die Gestapo. Denn daß dieser Mann mit dem ebenso feigen wie brutalen Gesicht ein Spitzel der Gestapo war, daran zweifelte sie keinen Augenblick.
Aber als nun diese Gefahr wirklich geworden war, da zitterte nur der Körper von Frau Hete. Ihr Geist war ruhig, und dieser Geist sagte ihr: Jetzt, in dieser Gefahr, kannst du den Enno unmöglich im Stich lassen, er mag sein wie er will.
Und Frau Hete sagte zu diesem Mann mit dem stechenden Blick, der immer wieder abirrte, sie sagte zu diesem Mann, der wie ein richtiger Achtgroschenjunge aussah:
«Vielleicht trinken Sie eine Tasse Kaffee mit uns, Herr -
wie ist doch Ihr Name?»
«Borkhausen, Emil Borkhausen», stellte der Spitzel sich vor. «Bin ein alter Freund von dem Enno, Sportsfreund.
Was sagen Sie nun, Frau Häberle, zu dem großartigen Coup, den er gestern auf Adebar gelandet hat? Wir haben uns in der Sportkneipe getroffen - hat er es Ihnen nicht gesagt?»
Frau Hete warf einen raschen Blick auf
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