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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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erwartungsvoll an. Wieder begegneten sich ihre Blicke, und wieder geschah es wie vorhin: er konnte sie nicht ansehen.
    «Erzählen Sie ruhig weiter, Herr Borkhausen», fuhr sie fort. «Ich hör zu .»
    «Kluge Frau!» nickte Borkhausen. «Verdammt kluge Frau und energisch. Das gestern abend mit der Knierut-scherei
    »
    «Wir wollten nur vom Geschäft reden, Herr Borkhausen!»
    «Na gewiß doch! Ich bin nämlich ein braver, richtig offener deutscher Mensch, und da werden Sie sich vielleicht wundern, daß ich bei der Gestapo bin. Das denken Sie vielleicht. Nee, Frau Häberle, ich bin nicht bei der Gestapo, ich arbeite nur manchmal für sie. Der Mensch will leben, nicht wahr, und ich habe fünf Gören zu Haus, der Älteste grade erst dreizehn. Alle muß ich sie ernähren ...»
    «Das Geschäft, Herr Borkhausen!»
    «Nee, Frau Häberle, ich bin nicht bei der Gestapo, ich bin ein ehrlicher Mensch. Und wie ich das hörte, daß sie meinen Freund Enno suchen und sogar hohe Belohnun-gen auf ihn aussetzen, und ich kenne doch den Enno von früher und bin sein richtiger Freund, wenn wir uns auch mal gestritten haben - da habe ich also gedacht, Frau Hä-
    berle: Kieke da, den Enno suchen sie! Den kleinen Garnichts. Wenn ich ihn nur fände, hab ich gedacht, verstehen Sie, Frau Häberle, dann könnte ich ihm vielleicht einen Wink geben, daß er abhaut, solange es noch Zeit ist.
    Und ich hab zu dem Kommissar Escherich gesagt:
    Und da habe ich denn den Auftrag gekriegt, Frau Häberle, und der Enno wirtschaftet im Laden, und es ist alles eigentlich in bester Butter ...»
    Eine Weile schwiegen beide, Borkhausen abwartend, Frau Häberle nachdenklich.
    Dann sagte sie: «Die Gestapo hat also noch keine Nachricht von Ihnen bekommen?»
    «I wo, mit denen habe ich es doch nicht eilig, mir das ganze Geschäft zu vermasseln!» Er verbesserte sich: «Erst wollte ich meinem alten Freund Enno doch mal einen Wink geben .»
    Und wieder schwiegen sie. Und wieder fragte Frau Hete schließlich: «Und was hat Ihnen denn die Gestapo für eine Belohnung versprochen?»
    «Tausend Mark! Ist 'ne Masse Geld für so einen Garnichts, gebe ich zu, Frau Häberle, ich war selbst ganz ganz verblüfft. Aber der Kommissar Escherich hat zu mir gesagt: Das hat der Escherich gesagt. Und hundert Mark Spesen hat er mir auch bewilligt, die habe ich schon gekriegt, die kämen zu den tausend Mark Belohnung noch dazu.»
    Sie saßen lange nachdenklich da.
    Dann fing Frau Hete wieder an: «Ich habe das vorhin mit den Wellensittichen nicht ohne Absicht gesagt, Herr Borkhausen. Denn wenn ich Ihnen tausend Mark zahle ...»
    «Zweitausend Mark, Frau Häberle, unter Freunden immer zweitausend Mark. Und dann kämen noch die hundert Mark Spesen dazu .»
    «Nun also, selbst wenn ich Ihnen das zahlen würde, und Sie wissen doch, der Herr Kluge hat kein Geld, und mich bindet an ihn nichts ...»
    «Na, Frau Häberle, na! Sie, 'ne hochanständige Frau!
    Sie werden doch Ihren Freund, der auf den Knien zu Ihnen gerutscht ist, nicht um so 'n bißchen Geld der Gestapo ausliefern? Wo ich Ihnen extra gesagt habe, es ist alles da, Hochverrat und Kohlrübe-ab? Das werden Sie doch nicht tun, Frau Häberle!»
    Sie hätte ihm ja sagen können, daß er, der schlichte, ehrliche deutsche Mann, grade das zu tun im Begriff war, was sie als hochanständige Frau keinesfalls tun durfte, nämlich den Freund verkaufen. Aber sie wußte es ja, derartige Bemerkungen hatten keinen Zweck, für so was be-saßen diese Herren keinen Sinn.
    Und so sagte sie denn: «Ja, also wenn ich selbst die zweitausendeinhundert zahlen würde, wer garantiert mir denn dafür, daß die Wellensittiche nicht doch im Käfig bleiben?»
    Sie entschloß sich, da sie sah, wie er schon wieder den Kopf verwirrt kratzte, auch ganz schamlos zu werden:
    «Also, wer garantiert mir dafür, daß Sie nicht meine zweitausendeinhundert nehmen und gehen dann doch zu dem Escherich und nehmen auch noch seine tausend?»
    «Aber ich garantiere Ihnen dafür, Frau Häberle! Ich ge-be Ihnen mein Wort darauf; ich bin ein einfacher, offener Mensch, und wenn ich was verspreche, dann halte ich das auch. Sie haben's ja gesehen, ich bin gleich zu dem Enno gelaufen und habe ihn gewarnt, auf die Gefahr hin, daß er aus dem Laden einen Flitzer macht. Und dann ist das ganze Geschäft

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