Jeder stirbt für sich allein
Der KunoDieter sollte, dazu war Borkhausen fest entschlossen, nun die Keile beziehen, um die der Kleine sich gedrückt hatte.
Dann klopfte es gegen die Tür, und statt des erwarteten Boten von KunoDieter stand dort eine Zivilfigur, der man den ehemaligen Feldwebel noch deutlich genug ansah.
«Sind Sie der Borkhausen?»
«Ja, was ist denn?»
«Sie sollen zum Kommissar Escherich kommen. Machen Sie sich fertig, ich bring Sie.»
«Ich kann jetzt nicht», widersprach Borkhausen, «ich wart auf einen Boten. Sagen Sie dem Kommissar, ich hab den
Fisch gefangen.»
«Ich soll Sie mitnehmen zum Kommissar», sagte der ehemalige Feldwebel halsstarrig.
«Nicht jetzt! Ich laß mir mein Geschäft nicht vermasseln! Nicht von euch Brüdern!» Borkhausen war zornig, aber er bezwang sich. «Sagen Sie dem Herrn Kommissar, ich hätt den Vogel, und ich käme heute noch bei ihm vorbei!»
«Also machen Sie jetzt keine langen Geschichten und kommen Sie mit!» wiederholte stur der andere.
«Das haben Sie wohl auswendig gelernt, was anderes können Sie wohl nicht pfeifen wie das ?» schrie Borkhausen. «Du kannst wohl nicht kapieren, was ich dir sage? Ewig ! Das kannst du wohl nicht begreifen, daß ich dir sage, ich warte hier auf Bescheid, ich muß hier sitzen, sonst geht der Hase mir aus der Schlinge? Das ist wohl zu hoch für dich?» Er sah sein Gegenüber ein wenig atemlos an. Dann setzte er mürrisch hinzu: «Den Hasen soll ich nämlich für den Kommissar fangen, verstehen Sie?»
Der ehemalige Feldwebel sagte ungerührt: «Von all dem weiß ich nichts. Der Kommissar hat zu mir gesagt: Frit-sche, hol den Borkhausen. Also kommense schon!»
«Nee!» sagte Borkhausen. «Du bist mir zu dämlich. Ich bleibe - oder willst du mich verhaften?» Er sah es dem andern an der Nase an, daß er das nicht konnte. «Also hau schon ab!» rief er und schlug dem die Tür vor der Nase zu.
Drei Minuten darauf sah er den alten Feldwebel über den Hof abtrümmern, der hatte es sich anders überlegt, das «Kommense mit»!
Und sobald der Mann durch die Toreinfahrt des Vorderhauses verschwunden war, überkam Borkhausen Angst wegen der Folgen, die sein freches Auftreten vor dem Sendboten des allmächtigen Kommissars haben konnte.
Nur der Zorn über diesen KunoDieter hatte ihn dazu gebracht. Es war eine Unverschämtheit, den Vater Stunden um Stunden sitzenzulassen, womöglich bis in die Nacht hinein. Überall gab es Bengels, an jeder Straßenecke gab es jemand, den man mit einer Botschaft schicken konnte!
Aber er würde es dem Kuno schon zeigen, was er von seinem Benehmen hielt, er sollte sich solche Witzchen nicht ungestraft erlauben.
Borkhausen schwelgte ordentlich in Phantasien, wie er den Burschen vermöbeln wollte. Er sah sich beim Prügeln dieses kindlichen Körpers, und ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, aber es war kein Lächeln abklingender Wut ... Er hörte ihn schreien, und er legte ihm die eine Hand auf den
schreienden Mund, während die andere weiterschlug, so lange weiterschlug, bis der ganze Junge zitterte und sein Mund nur noch wimmerte ...
Borkhausen wurde es nicht müde, sich diese Bilder immer wieder vorzustellen. Dabei streckte er sich auf seinem Sofa und stöhnte wollüstig.
Beinah kam ihm der Junge, endlich der Sendbote KunoDieters, störend, der jetzt klopfte. «Was ist?» fragte er kurz.
«Ich soll Sie zu Kuno bringen.»
Diesmal war es ein großer Junge von vierzehn oder fünfzehn Jahren in der HJ-Bluse.
«Aber erst geben Sie mir mal fünf Mark.»
«Fünf Mark!» grollte Borkhausen und wagte sich diesem großen Bengel im braunen Hemd doch nicht offen zu widersetzen. «Fünf Mark! Ihr Jungens könnt ja fein mit meinem Gelde rumschmeißen!» Er suchte zwischen den Scheinen.
Der große HJ-Junge sah gespannt auf den Packen Geld in der Hand des andern. «Ich hab Fahrgeld ausgegeben», sagte er. «Und dann, was denken Sie, was ich für Zeit versäumt habe, ganz aus dem Westen bis hier?»
«Und deine Zeit kostet viel Geld, was?» Borkhausen hatte den richtigen Schein immer noch nicht gefunden.
«Und Westen, das sagst du so, Westen kann nie stimmen!
Was bei dir wohl Westen ist? Vielleicht meinst du Stadtmitte, das könnte noch eher passen!»
«Na, wenn die Ansbacher nicht im Westen ist ...»
Zu spät sah der Junge, daß er sich verplappert hatte.
Borkhausen hatte die Scheine schon weggesteckt! «Danke!» lachte er spöttisch. «Du brauchst deine teure Zeit nicht weiter zu versäumen. Ich
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