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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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begreifen, daß ich kein Mörder bin, Kluge?»
    Kluge murmelte etwas Unverständliches. Seine Zähne schlugen laut gegeneinander.
    «So, und nun höre zu. Ich hab dir was zu sagen. Das mit dem Mann, den du hier in Schlachtensee erkennen sollst, das ist natürlich Schwindel.»
    «Aber warum?»
    «Warte ab. Und ich weiß auch, daß du mit dem Postkartenschreiber nichts zu tun hast; ich habe geglaubt, es wäre mit dem Protokoll gut, daß ich wenigstens für meine Vorgesetzten eine Spur hätte, bis ich den richtigen Täter ge-faßt habe. Aber es war nicht gut. Sie wollen dich jetzt haben, Kluge, die hohen Herren von der SS, und sie wollen dich vornehmen auf ihre Weise. Sie glauben an das Protokoll, sie halten dich für den Schreiber oder doch für seinen Verteiler. Und sie werden das schon aus dir rausquetschen, sie werden alles, was sie wollen, mit ihren Verhören aus dir rausquetschen, sie werden dich auspressen wie eine Zitrone, und dann werden sie dich totschlagen oder vor den Volksgerichtshof bringen, und das läuft auf dasselbe hinaus, nur daß die Quälerei noch ein paar Wochen länger dauert.»
    Der Kommissar machte eine Pause, und der völlig verängstigte Enno schmiegte sich jetzt zitternd an den, den er eben noch «Mörder» genannt, als suche er Hilfe bei ihm.
    «Sie wissen, ich bin's nicht gewesen!» stotterte er.
    «Heilig wahr! Sie können mich nicht zu denen hinbringen, ich halte das nicht aus, ich schreie ...»
    «Gewiß wirst du schreien», bestätigte der Kommissar gleichmütig. «Natürlich tust du das. Aber das kümmert die nicht, das macht denen nur Spaß. Weißt du, Kluge, die werden dich auf einen Schemel setzen und einen ganz scharfen Scheinwerfer direkt vor deinem Gesicht aufstellen, und du mußt immer in das Licht starren und wirst vor Hitze und Helle vergehen. Und dabei werden sie dich fragen, Stunden um Stunden werden sie dich befragen, einer wird den andern ablösen, aber dich wird keiner ablösen, du magst noch so müde sein. Und wenn du vor Erschöpfung umfällst, so werden sie dich mit Fußtritten und Peitschenhieben hochjagen, und sie werden dir Salzwasser zu trinken geben, und wenn das alles nichts mehr hilft, werden sie dir jeden Gelenkknochen an den Fingern einzeln ausdrehen. Sie werden Säure auf deine Füße gießen ...»
    «Hören Sie auf, ach, bitte, hören Sie doch auf, ich kann das nicht anhören ...»
    «Du wirst es nicht nur anhören, du wirst es aushalten müssen, Kluge, einen Tag, zwei, drei, fünf Tage - immer,
    Tag und Nacht, und dabei werden sie dich hungern lassen, daß dein Magen zusammenschrumpft wie eine Bohne, daß du vor Schmerzen innen und außen umzukommen meinst. Aber du wirst nicht umkommen; so leicht lassen die einen, den sie mal in ihren Fängen haben, nicht los.
    Sondern sie werden dich ...»
    «Nein, nein, nein», schrie der kleine Enno und hielt sich die Ohren zu. «Ich will nichts mehr hören! Kein Wort mehr! Dann lieber gleich tot!»
    «Ja, das denke ich auch», bestätigte der Kommissar. «Dann lieber gleich tot!»
    Eine Zeitlang herrschte tiefstes Schweigen zwischen beiden. Dann sagte der kleine Enno Kluge plötzlich zusammenschauernd: «Aber ins Wasser gehe ich nicht ...»
    «Nein, nein», sagte der Kommissar gütig zuredend.
    «Das sollen Sie auch nicht, Kluge. Sehen Sie, ich habe Ihnen hier was anderes mitgebracht, sehen Sie nur, so 'ne hübsche kleine Pistole. Die brauchen Sie nur gegen die Stirn zu drücken, haben Sie keine Angst, ich werde Ihnen die Hand halten, daß sie nicht zittert, und dann machen Sie den Finger nur ein klein bißchen krumm ... Sie werden keinen Schmerz spüren, plötzlich sind Sie weg von all diesen Quälereien und Verfolgungen und haben endlich mal Ruhe und Frieden ...»
    «Und die Freiheit», sagte der kleine Enno Kluge nachdenklich. «Das ist genauso, Herr Kommissar, wie Sie mich damals mit dem Protokoll überredet haben, auch damals haben Sie mir die Freiheit versprochen. Ob's diesmal wahr sein wird? Was meinst du?»
    «Aber natürlich, Kluge. Das ist die einzige wirkliche Freiheit, die für uns Menschen in Frage kommt. Da kann ich dich nicht wieder einfangen und von neuem ängstigen und quälen. Keiner kann das mehr. Du wirst uns alle auslachen .»
    «Und was wird hinterher kommen, hinter der Ruhe und Freiheit? Wird's da noch was geben, hinterher? Was glaubst du?»
    «Ich glaub nicht, daß noch was hinterher kommt, kein Strafgericht und keine Hölle. Nur Ruhe und Freiheit wird's da geben.»
    «Und wozu hab ich denn

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