Jeder stirbt für sich allein
zu regieren.
Der Kommissar mit seinem Enno Kluge am Arm geht auf die Säule zu, hinter der Borkhausen steckt. Borkhausen will seinen ehemaligen Kumpel jetzt gar nicht so gern sehen; er geht, seinem Anblick zu entgehen, rund um die Säule. Aber der Kommissar, der kehrtgemacht hat, erwischt ihn doch, und Emil und Enno stehen einander gegenüber.
«'n Abend, Enno!» sagt Borkhausen und streckt die Hand aus.
Aber Kluge nimmt sie nicht. Ein bißchen Empörung regt sich jetzt selbst in diesem jämmerlichen Geschöpf. Er haßt diesen Borkhausen, der ihn zu einem Einbruch überredete, wo es nur Schläge gab, der heute früh Tausende erpreßte und der ihn nun doch verraten hat.
«Herr Kommissar», sagt Kluge eifrig, «hat Ihnen der Borkhausen nicht gesagt, daß er heute früh von meiner Freundin, der Frau Häberle, zweitausendfünfhundert Mark erpreßt hat? Er wollte mich dafür laufenlassen, und nun hat er ...»
Der Kommissar hat den Borkhausen nur aufgesucht, um ihm sein Geld zu geben und ihn nach Haus zu schicken.
Aber jetzt läßt er das Geldpäckchen in seiner Tasche wieder los und hört erheitert, wie Borkhausen grob antwortet: «Und habe ich dich nicht laufenlassen, Enno? Wenn du Ochse dich gleich wieder fangen läßt, dafür kann ich nichts. Ich habe mein Versprechen gehalten.»
Der Kommissar sagt: «Na, darüber unterhalten wir uns noch mal, Borkhausen. Jetzt machen Sie, daß Sie nach Haus kommen.»
«Aber vorher will ich mein Geld, Herr Kommissar», verlangt Borkhausen. «Sie haben mir fest fünfhundert Ei-er versprochen, wenn ich Ihnen Enno liefere. Da haben Sie ihn am Arm, und nun spucken Sie auch aus!»
«Zweimal werden Sie in der gleichen Sache nicht bezahlt, Borkhausen!» weist der Kommissar ihn ab. «Wenn Sie schon zweitausendfünfhundert bekommen haben!»
«Aber ich habe das Geld doch noch gar nicht!» protestiert der schon wieder enttäuschte Borkhausen fast schreiend. «Sie hat's doch postlagernd nach München geschickt, damit ich ihnen hier aus dem Wege bin!» «Kluge Frau!» lobt der Kommissar. «Oder war das Ihr Einfall, Herr Kluge?»
«Er lügt ja schon wieder!» schreit Enno erbittert. «Nur zweitausend sind nach München gesandt. Fünfhundert, und mehr als fünfhundert, hat er bar gekriegt. Sehen Sie nur in seinen Taschen nach, Herr Kommissar!»
«Die sind mir doch geklaut worden! Eine Rotte Halbstarker hat mich überfallen und hat mir das ganze Geld geklaut! Sie können mich von oben bis unten nachsehen, Herr Kommissar, ich habe nur noch ein paar Mark bei mir, die ich zufällig in der Weste hatte!»
«Ihnen kann man kein Geld anvertrauen, Borkhausen», sagt der Kommissar kopfschüttelnd. «Sie können nicht mit Geld umgehen. Sich von Halbstarken beklauen lassen, ein großer Mann!»
Borkhausen fängt wieder an zu betteln, zu verlangen, zu überreden, aber der Kommissar befiehlt - sie sind jetzt schon am Viktoria-Luise-Platz: «Sie machen jetzt, daß Sie nach Hause kommen, Borkhausen!»
«Herr Kommissar, Sie haben mir fest versprochen ...»
«Und wenn Sie jetzt nicht sofort in die U-Bahn verschwinden, übergebe ich Sie da dem Schupo! Der kann Sie gleich mal wegen Erpressung festnehmen.»
Damit geht der Kommissar auf den Schupo zu, und Borkhausen, der zornige Borkhausen, dieser MöchtegernVerbrecher, dem immer direkt vor dem Siege der Gewinn entrissen wird, macht, daß er vom Viktoria-Luise-Platz verschwindet. (Warte nur, KunoDieter, wenn ich nach Hause komme!)
Der Kommissar spricht wirklich den Schupo an, er weist sich aus und gibt ihm den Auftrag, das Fräulein Anna Schönlein festzunehmen und erst mal auf der Wache festzuhalten, wegen: «Na, sagen wir erst einmal, wegen Ab-hörens feindlicher Sender. Keine Vernehmungen, bitte ich mir aus. Es kommt morgen einer von uns und holt sich das Frauenzimmer. 'n Abend, Herr Wachtmeister!»
«Heil Hitler, Herr Kommissar!»
«Ja», sagt der Kommissar, auf der Motzstraße in der Richtung auf den Nollendorfplatz weitergehend. «Was machen wir nun? Ich habe Hunger, es ist meine Essenszeit. Wissen Sie was, ich lade Sie zum Abendessen ein. Sie werden es ja nicht so furchtbar eilig haben, zu uns auf die Gestapo zu kommen. Ich fürchte, das Essen läßt bei uns zu wünschen übrig, und die Leute sind so vergeßlich, manchmal bringen sie zwei, drei Tage gar nichts. Nicht mal Wasser. Schlecht organisiert. Tja, was meinen Sie, Herr Kluge?»
Mit solchem und ähnlichem Geschwätz hat der Kommissar
den völlig verwirrten Kluge in eine kleine Weinstube
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