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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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mußte sich nicht quälen, weil er das Ende aller Qual bei sich hatte.
    Es war ein gutes Leben, das er führte. Er liebte es. Er war nicht einmal ganz sicher, daß er diese Glasampulle je gebrauchen würde.
    Vielleicht war es noch besser, bis zur letzten Minute zu warten? Vielleicht durfte er Anna doch noch einmal sehen? War es nicht richtiger, denen keine Schande zu ersparen?
    Sie sollten ihn hinrichten, besser, viel besser! Er wollte es wissen, wie es dabei zuging - ihm war, als käme es ihm zu, als sei es seine Pflicht, auch zu wissen, wie sie das machten. Er glaubte, bis die Schlinge um seinen Hals oder der Kopf unter dem Fallbeil lag, müßte er alles wissen. Er konnte, in der letzten Minute noch, denen doch einen Streich spielen.
    Und in der Gewißheit, daß ihm nichts mehr geschehen konnte, daß er hier - vielleicht zum erstenmal in seinem Leben - ganz er selbst sein konnte, unverstellt er selbst, in dieser Gewißheit fand er Ruhe, Heiterkeit, Frieden. Sein alternder Körper hatte sich nie so wohl gefühlt wie in diesen Wochen. Sein hartes Vogelauge hatte nie so freundlich gesehen wie in der Todeszelle der Plötze. Sein Geist hatte nie so frei schweifen können wie hier.
    Ein gutes Leben, dieses Leben!
    Hoffentlich ging es auch Anna gut. Aber der alte Rat Fromm war ein Mann, der Wort hielt. Auch Anna würde über alle Verfolgungen hinaus sein, auch Anna war frei, gefangen frei .

Die Gnadengesuche
    Otto Quangel hatte erst seit einigen Tagen in der Dunkelzelle gelegen - gemäß Beschluß des Volksgerichtshofs -, er fror jämmerlich in dem kleinen Käfig aus Eisenstangen, der am ehesten einem sehr engen Affenkäfig im Zoo glich, da tat sich die Tür auf, Licht ging an, und sein Anwalt, Dr.
    Stark, stand in der Tür des Raumes, in dem der Gitterkäfig aufgebaut war, und sah seinen Mandanten an. Quangel stand langsam auf und schaute zurück.
    Da war dieser geschniegelte und gebügelte Herr also noch einmal zu ihm gekommen, mit seinen rosigen Fingernägeln und der nachlässigen, schleppenden Art zu reden. Wahrscheinlich, um sich den Verbrecher in seiner Qual anzusehen.
    Aber auch da schon hatte Quangel die Zyankaliampulle in seinem Munde getragen, diesen Talisman, der ihn Kälte und Hunger ertragen ließ, und so hatte er ruhig, ja, mit einer heiteren Überlegenheit auf den «feinen Herrn» ge-blickt, er, in seiner Zerlumptheit, vor Frost zitternd, der Magen brennend vor Hunger.
    «Nun?» hatte Quangel schließlich gefragt.
    «Ich bringe Ihnen das Urteil», sagte der Anwalt und zog ein Papier aus der Tasche.
    Aber Quangel nahm es nicht. «Es interessiert mich nicht», sagte er. «Ich weiß ja doch, daß es auf Todesstrafe lautet. Auch meine Frau?»
    «Auch Ihre Frau. Und es gibt keine Berufung dagegen.» «Gut», antwortete er.
    «Aber Sie können ein Gnadengesuch machen», sagte der Anwalt.
    «An den Führer?»
    «Ja, an den Führer.»
    «Nein, danke.»
    «Sie wollen also sterben?»
    Quangel lächelte.
    «Sie haben keine Angst?»
    Quangel lächelte.
    Der Anwalt sah zum erstenmal mit einer Spur von Interesse in das Gesicht seines Mandanten, er sagte: «So werde ich für Sie ein Gnadengesuch einreichen.»
    «Nachdem Sie meine Verurteilung gefordert haben!»
    «Es ist so üblich, bei jedem Todesurteil wird ein Gnadengesuch eingereicht. Es gehört zu meinen Pflichten.»
    «Zu Ihren Pflichten. Ich verstehe. Wie Ihre Verteidigung. Nun, ich nehme an, Ihr Gnadengesuch wird wenig Wirkung haben, lassen Sie es lieber.»
    «Ich werde es trotzdem einreichen, auch gegen Ihren Willen.»
    «Ich kann Sie nicht hindern.»
    Quangel setzte sich wieder auf die Pritsche. Er wartete, daß der andere jetzt mit diesem blöden Gewäsch aufhörte, daß er ginge.
    Aber der Anwalt ging nicht, sondern er fragte nach einer langen Pause: «Sagen Sie, warum haben Sie das eigentlich getan?» «Was getan?» fragte Quangel gleichgültig, ohne den Gebügelten anzusehen.
    «Diese Postkarten geschrieben. Sie haben doch nichts genützt und kosten Ihnen nun das Leben.»
    «Weil ich ein dummer Mensch bin. Weil mir nichts Besseres eingefallen ist. Weil ich mit einer andern Wirkung rechnete. Darum!»
    «Und Sie bedauern es nicht? Es tut Ihnen nicht leid, wegen solch einer Dummheit das Leben zu verlieren?»
    Ein scharfer Blick traf den Anwalt, der alte, stolze, harte Vogelblick. «Aber ich bin wenigstens anständig geblieben», sagte er. «Ich habe nicht mitgemacht.»
    Der Anwalt sah lange auf den schweigend Dasitzenden.
    Dann sagte er: «Ich glaube jetzt

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