Jedes Kind Kann Regeln Lernen
aufgeweckter Junge und recht weit für sein Alter. Zur Überraschung seiner Eltern macht er aber nun schon seit mehreren Wochen "Theater": Er weint und jammert jeden Morgen, daß er nicht in den Kindergarten gehen will. Eines Morgens wird es Michaels Vater zuviel. Ärgerlich sagt er: "Wenn du so ein Theater machst, können wir dich ja wieder abmelden, bei dem teueren Kindergartenbeitrag!" Sofort ändert sich Michaels Gesichtsausdruck. Strahlend schaut er seinen Papi an: "Au ja!" - So hatte sich Michaels Papa das nicht vorgestellt. Schnell wechselt er das Thema...
Aus solchen Erfahrungen lernt das Kind: "Was Mama und Papa so alles sagen - das machen die sowieso nicht!" Die Ermahnungen der Eltern gehen zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder heraus. Irgendwann hört es überhaupt nicht mehr zu.
• Schlußfolgerung :
Ankündigungen ohne Folgen sind sehr verbreitet, aber verhängnisvoll. Wenn Sie sich dabei ertappen, können Sie sich vornehmen: Beim nächsten Mal beiße ich mir rechtzeitig auf die Zunge!
Ignorieren
Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie können das unangemessene Verhalten Ihres Kindes ignorieren, oder Sie behandeln Ihr Kind wie Luft. Im zweiten Fall ignorieren Sie Ihr Kind als Person, nicht nur sein Verhalten.
Das Verhalten eines Kindes nicht zu beachten, kann manchmal durchaus angebracht sein. Angewohnheiten wie Daumenlutschen oder Stottern, gelegentliches Verwenden von Schimpfwörtern und gelegentliche Trotzanfälle werden in einigen Fällen nur dadurch zum Problem, daß die Eltern überhaupt mit Aufmerksamkeit für das Kind reagieren. Werden diese Verhaltensweisen dagegen gar nicht beachtet, stellt das Kind sie oft von selbst wieder ein. Das Ziel, damit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu gelangen, wurde schließlich nicht erreicht.
Bei besonders unangebrachtem oder besonders häufig gezeigtem Verhalten liegt die Sache anders. Stellen Sie sich vor: Sie füttern Ihr knapp zweijähriges Kleinkind. Zum wiederholten Male spuckt es Ihnen den Spinat ins Gesicht, zuletzt wirft es mit Absicht das ganze Gläschen gegen die Wand. Oder Ihr sechsjähriges Kind tritt Ihnen gegen das Schienbein, sobald ihm etwas nicht paßt. Oder Ihr neunjähriger Sohn bedenkt Sie täglich mit Beschimpfungen, von denen "blöde Kuh" und "doofe Ziege" noch die harmlosesten sind. Was wird Ihr Kind von Ihnen denken, wenn Sie auf all das einfach nicht reagieren, sondern weiterhin ganz freundlich und "normal" mit ihm umgehen?
Wahrscheinlich wird es denken: "Der ist anscheinend völlig egal, wie ich mich benehme. Also kann ich tun und lassen, was ich will." Und es wird die Achtung vor Ihnen verlieren. Wer sich von seinem Kind behandeln läßt wie "der letzte Dreck", erntet nicht Dankbarkeit für seine "Großzügigkeit", sondern Verachtung. Das Kind macht denselben Denkfehler wie die meisten Erwachsenen. Es denkt: "Wer sich schlecht behandeln läßt, muß doch selbst schlecht sein! Er hat es nicht anders verdient!"
Das Ignorieren von extrem schlechtem Benehmen hat noch eine fatale Kehrseite: Irgendwann platzt jeder Mutter und jedem Vater der Kragen. Das "Ignorieren" schlägt urplötzlich um in einen Wutanfall oder eine überstrenge Bestrafung, bei der die Eltern außer Kontrolle geraten.
Mich erinnert das Thema "Ignorieren" an meine eigene Schulzeit. Wir hatten - wie die meisten von Ihnen sicherlich auch - einen Lehrer, der gleichbleibend nett war. Wir durften bei ihm Kaugummi kauen, Comics lesen, stricken, uns unterhalten, während der Klassenarbeiten die Hefte austauschen - er sagte nie etwas. Er ignorierte unser schlechtes Benehmen. Nach und nach wurden wir immer dreister. Kaum jemand kümmerte sich um seinen Unterricht. Wir nahmen ihn nicht ernst. Ab und zu bekam er aus heiterem Himmel einen Tobsuchtsanfall und schrie uns an. Das machte ihn in unseren Augen nur noch lächerlicher. Als er dann versuchte, sich mit besonders schlechten Noten an uns zu rächen, hatten wir für ihn nur noch Verachtung übrig.
Manche Eltern gehen noch einen Schritt weiter. Sie ignorieren nicht nur das Verhalten ihres Kindes. Sie behandeln ihr Kind wie Luft: Sie tun so, als ob es gar nicht da wäre. Diese Methode wird manchmal auch als "Liebesentzug" bezeichnet. Im Extremfall kann es passieren, daß Eltern mit ihrem Kind tagelang kein Wort reden in der Hoffnung, es werde dann irgendwann "zur Besinnung kommen".
Häufiger sind wahrscheinlich solche Szenen:
Ihr Kind sollte eigentlich schon längst im Bett liegen. Es kommt aber immer wieder zu
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