Jedes Kind Kann Regeln Lernen
Beispiel:
Mutter (geht in die Hocke, schaut Annika in die Augen, berührt ihre Schulter und gibt eine klare Anweisung): Annika, du räumst jetzt diese Legosteine in die Spielkiste! Annika : Warum denn?
Mutter : Weil du sie auch ausgekippt hast.
Annika : Das finde ich aber gemein! Immer muß ich aufräumen! Den ganzen Tag aufräumen!
Mutter : Du mußt überhaupt nicht den ganzen Tag aufräumen. Aber du mußt lernen, daß du das wegräumst, was du ausgekippt hast.
Annika : Aber der Timmi (zweijähriger Bruder) muß nie aufräumen! Das ist voll gemein! Für den machst du das immer! Mir hilfst du nie!
Mutter : Der Timmi ist viel kleiner als du. Der kann das nicht allein.
Annika : Kann der wohl! Du hast den Timmi viel lieber als mich!
Mutter : Jetzt hör aber auf! Du weißt, ganz genau, daß das nicht stimmt!
Die Diskussion läßt sich beliebig fortsetzen. Annikas Mutter bleibt ruhig. Noch macht sie keinen der vielen möglichen, im 4. Kapitel erwähnten Elternfehler. Wenn die Diskussion noch lange dauert, kann es ihr aber leicht noch passieren. Und ob am Ende tatsächlich Annika aufräumt, ist keineswegs sicher. Mit anderen Worten: Die Diskussion ist in dieser Situation nicht angebracht. Annika hat es geschafft, um die klare Anweisung ihrer Mutter einen Haken zu schlagen.
Ein anderes Beispiel. Das folgende Gespräch zwischen der dreijährigen Lisa und ihrer Mutter spielt sich so oder ähnlich fast jeden Morgen ab:
Mutter : Lisa, zieh dich jetzt an! (klare Anweisung)
Lisa : Ich will aber nicht.
Mutter : Komm, sei lieb. Wenn du fertig bist, machen wir auch etwas Schönes zusammen.
Lisa : Was denn?
Mutter : Wir könnten zusammen ein Puzzle machen.
Lisa : Ich will aber kein Puzzle machen! Puzzles sind doof. Ich will fernsehen.
Mutter : Fernsehen am frühen Morgen! Das kommt gar nicht in Frage!
Lisa (weint): Nie darf ich fernsehen! Alle dürfen das! Nur ich nicht!...
Mutter : Das stimmt nicht. Die anderen Kinder, die ich kenne, dürfen morgens auch nicht fernsehen.
Lisa weint mittlerweile wegen einer ganz anderen Sache, aber angezogen ist sie immer noch nicht. Meist endet es so, daß ihre Mutter sie auf den Schoß nimmt, sie tröstet und ihr dann beim Anziehen hilft, obwohl Lisa es sehr gut allein könnte. Auch hier ist die Mutter nach einer klaren Anweisung in eine Diskussion mit offenem Ende hineingeschlittert. Lisa hat diesmal mit dem
Thema "Fernsehen" einen Nebenschauplatz eröffnet. Sie ist aber auch in der Lage, jedes einzelne von der Mutter herausgelegte Kleidungsstück in die Diskussion einzubeziehen
- von der Socke bis zum passenden Haarband. Eine erstaunliche Leistung für eine dreijähriges Mädchen, das noch nicht in den Kindergarten geht!
Wie hätten die Mütter von Annika und Lisa die Diskussion vermeiden können? Die Technik der "kaputten Schallplatte" macht ein Hakenschlagen um eine klare Anweisung und ein Hineinschlittern in ein anderes Thema sehr unwahrscheinlich. Annika hat uns mit dieser Technik schon bekannt gemacht, als sie sich mit ihrem Wunsch nach einem Eis durchsetzen konnte.
Diesmal wendet Annikas Mutter die Technik der "kaputten Schallplatte" an:
Mutter (geht in die Hocke, schaut Annika in die Augen, berührt ihre Schulter und gibt eine klare Anweisung): Annika, du räumst jetzt diese Legosteine in die Spielkiste! Annika : Warum denn?
Mutter : Es muß jetzt sein: Du nimmst die Legosteine und räumst sie in die Spielkiste!
Annika : Das finde ich aber gemein! Immer muß ich aufräumen! Den ganzen Tag aufräumen!
Mutter : Komm, Annika, du räumst jetzt die Legosteine in die Spielkiste!
Annika (fängt an aufzuräumen und protestiert leise vor
sich hin): Immer ich....
Das Gespräch zwischen Lisa und ihrer Mutter verläuft ebenfalls ganz anders, wenn die Mutter die "kaputte Schallplatte" anwendet:
Mutter : Lisa, zieh dich jetzt an! (klare Anweisung)
Lisa : Ich will aber nicht!
Mutter : Hier, Lisa, zuerst ziehst du dein Hemd an.
Lisa : Ich will aber mit dir spielen!
Mutter : Lisa, du ziehst jetzt dein Hemdchen an.
Lisa (mault, aber zieht ihr Hemd an): Gemein...
Sie glauben nicht, daß das so einfach geht? Probieren Sie es aus! Viele Eltern stellen fest, daß sie sich häufig auf wenig ergiebige Diskussionen einlassen. Wenn sie stattdessen auf die Methode der "kaputten Schallplatte" zurückgreifen, sind sie über den Erfolg ganz verblüfft.
Im ersten Kapitel wurde die Geschichte der achtjährigen Vicky erzählt. Sie klagte vor der Schule regelmäßig über
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