Jeier, Thomas
Bevölkerungsschichten, auch die Afro-Amerikaner verlangten nach politischer Teilhabe, die Regierung war gezwungen zu handeln und zahlreiche Gesetzesänderungen wurden zugunsten bislang benachteiligter Gesellschaftsangehöriger verabschiedet.
Aus den »Indians« wurden »American Indians«, auch, um zukünftig einer Verwechslung mit den »Indians« aus Indien vorzubeugen, und wenig später nannten sie sich selbst »Native Americans« (in den USA) oder »First Nations« (in Kanada). Damit sollte bereits im Namen demonstriert werden, wessen Vorfahren die Ureinwohner des Kontinents gewesen waren. Auf die politisch korrekte Bezeichnung für Indianer angesprochen, antwortete mir Rachel Strange Owl Magpie, die an der Highschool von Lame Deer im Northern Cheyenne Reservat als Lehrerin für Cheyenne und indianische Kultur arbeitet: »Ich bin eine Tsis-tsis-tas.« So nennen sich die Cheyenne selbst, der Name »Cheyenne« wurde ihnen von ihren Feinden gegeben und bedeutet so viel wie »Volk einer fremden Sprache«. »Tsis-tsis-tas bedeutet nichts anderes als ›menschliche Wesen‹, und das sind wir doch alle, oder etwa nicht?« Mit vielen der gemeinhin bekannten Stammesnamen wie Sioux, Crow oder Cheyenne verhält es sich ganz ähnlich. Andererseits sind diese Stammesnamen im offiziellen Sprachgebrauch üblich, und es würde die Verwirrung womöglich nur größer machen, würde man versuchen über 500 Stämmen den »richtigen« Namen, nämlich die Selbstbezeichnungen zuzuordnen. Unzureichend gelöst bleibt die ganze Frage von Bezeichnungen besonders, wo es um Verallgemeinerung geht. Der im deutschen Sprachgebrauch übliche Oberbegriff »Indianer« ist bei aller Diskussion um mitschwingende Bedeutungen noch immer der allgemein verständliche Ausdruck für die Gesamtheit der amerikanischen Ureinwohner. Die differenzierte Darstellung mag dazu beitragen, dass sich damit verbundene Vorurteile und Klischees endlich auflösen.
Dass so viele Indianer wieder gesteigerten Wert darauf legen, als Mitglieder eines Stammes zu gelten, liegt nicht allein an der Rückbesinnung auf traditionelle Werte, sondern auch an bandfesten finanziellen Interessen. Seitdem der »New Buffalo«, die mitunter riesigen Spielkasinos, für einen finanziellen Boom in zahlreichen Reservaten sorgt und teilweise hohe monatliche Pro-Kopf-Zahlungen an die Stammesmitglieder garantiert, entdecken viele Achtel- und Sechzehntel-Indianer ihre Herkunft neu. Als eingetragene Stammesmitglieder kommen sie in den Genuss einer ganzen Reihe von Vergünstigungen wie preiswerte Wohnungen, kostenlose medizinische Versorgung und die Möglichkeit, ein College besuchen zu können, ohne Studiengebühren zu bezahlen. Was auch ein Grund dafür ist, dass zahlreiche Stämme ihre Aufnahmebedingungen verschärft und in manchen Fällen sogar Mitglieder ausgeschlossen haben. So geschehen bei den Cherokee und den Seminolen, die während des amerikanischen Bürgerkriegs flüchtige Sklaven in den Stamm aufgenommen hatten und die Nachkommen dieser »Freedmen« plötzlich nicht mehr anerkannten. Mary Chapman, eine 69-jährige Frau, die aus dem Stamm der kalifornischen Chukchansi verstoßen wurde, weiß zu berichten: »Meine Ur-Ur- Großmutter war Indianerin. Weil sie jetzt ein Casino haben, musste ich gehen. Sie haben mich vertrieben, in die Gosse gestoßen.«
Für Erheiterung hingegen sorgen bei den Indianern die immer zahlreicher werdenden Weißen, die plötzlich ihre indianischen Wurzeln entdeckt haben wollen: Diese »Konvertiten« verweisen auf einen angeblichen indianischen Verwandten in grauer Vorzeit oder, noch schlimmer, fühlen sich als »Bekehrte« beinahe indianischer als alle Indianer, tummeln sich in Schwitzhütten, meditieren an heiligen Plätzen, geben sich indianische Namen und glauben den Indianern ihre eigene Kultur erklären zu müssen. »Wenn ich's mir recht überlege«, verrät mir ein Ältester der Sioux während des Northern Cheyenne Powwows, einem der großen indianischen Tanzfeste, »sind die ›Wannabes‹ (›Möchtegerns‹) der größte Indianerstamm.« Die Indianerin Janet McCloud schrieb im Z Magazine : »Zuerst nahmen sie uns das Land und die Gewässer, dann die Fische und das Wild. Jetzt wollen sie auch unsere Religion. Plötzlich laufen da eine Menge Idioten herum und behaupten, Medizinleute zu sein. Und sie verkaufen dir eine Schwitzhütten-Zeremonie für 50 Bucks. Das ist nicht nur falsch, das ist obszön.«
»Was immer bleiben wird, ist das Land«, versichert
Weitere Kostenlose Bücher