Jeier, Thomas
Zivilisierten Stämme« genannt wurden, zu leiden. Auf dem entbehrungsreichen »Trail of Tears«, dem tränenreichen Weg aus ihrer angestammten Heimat in Georgia ins Indian Territory, in das spätere Oklahoma starb über ein Viertel der ungefähr 15 000 Indianer. Ihrer ursprünglichen Heimat beraubt, klagten die Überlebenden in den neuen Reservaten über den Verlust ihrer Traditionen. Sie wurden so auch zu Heimatvertriebenen und Opfern der »Manifest Destiny«, einer zum Teil bis heute von konservativen Politikern befürworteten amerikanischen Doktrin, die im Vordringen der weißen Zivilisation in unbekannte Kontinente und der damit einhergehenden Vertreibung und Unterdrückung der dort ansässigen Ureinwohner eine göttliche Fügung sah.
Nach ihrer Unterwerfung wurden die Indianer in Reservate abgedrängt, in denen sich die Stämme nach Vorstellung der Regierung als souveräne Nationen verwirklichen sollten. Die ersten »Reservations«, die Reservate, entstanden bereits 1786, aber erst der »Indian Appropriation Act« (1851) legte das Schicksal der Indianer vollkommen in die Hände der Regierenden, indem es sie autorisierte, die Jagdgründe eines Stammes nach eigenem Gutdünken aufzuteilen und ihnen den unfruchtbarsten und weitest abgelegenen Teil ihres Landes als Reservat zuzuweisen. Selbst mit Pferden und Waffen wäre es ihnen dort nicht möglich gewesen, etwas Essbares zu jagen. Die Büffel waren längst verschwunden und das Wild hielt sich in fruchtbareren Gegenden auf. Ebenso vergeblich versuchten viele Indianer mit Ackerbau und Viehzucht zu überleben - auf dem trockenen Land gediehen jedoch nicht einmal Grashalme. Die einstigen Jäger und Sammler wurden abhängig von den Lebensmittelrationen der amerikanischen Regierung und dem Wohlwollen der amerikanischen Regierung in Washington, D. C.
Die »Vaterrolle« übernahm das »Bureau of Indian Affairs« (BIA), das bereits 1824 gegründet worden war, bis 1849 dem Kriegsministerium und später dem Innenministerium unterstand. Das mit den größten Vollmachten ausgestattete Regierungsbüro der USA hat die Aufgabe, mit Zustimmung des Kongresses Programme »Zum Wohl der Indianer« zu beschließen. (Erst seit 1972 ist die Mehrzahl der verantwortlichen Posten im BIA von Indianern besetzt.) An der Spitze steht der »Commissioner of Indian Affairs« (inzwischen: »Assistant Secretary of the Interior for Indian Affairs«), der durch den Präsidenten bestimmt und vom Senat in seinem Amt bestätigt wird.
Eine unrühmliche Rolle spielten besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Indianeragenten (inzwischen Superintendenten genannt), die dem Bureau of Indian Affairs und damit auch dem Innenministerium unterstanden und faktisch die politische Alleingewalt über die Bewohner eines Reservats hatten. Die meisten dieser Agenten waren meist erfolglose Regionalpolitiker oder auf schnellen Profit bedachte Normalbürger, die mit ihrer leitenden Funktion in den Reservaten häufig völlig überfordert waren, sehr oft überreagierten und schon bei harmlosen Zwischenfällen nach Washington telegrafierten und militärische Unterstützung anforderten.
»Die Indianeragenten wollten uns unserer Kultur und Religion berauben«, erzählte mir Donovin Sprague alias High Back Bone. Der Minneconjou-Lakota-Indianer lehrt Geschichte an der Black Hills State University und ist tief verwurzelt in der Tradition seiner stolzen Vorfahren. Sein Ur-Ur-Großvater Hump kämpfte an der Seite des Sioux- Kriegshäuptlings Crazy Horse in der Schlacht am Little Bighorn. »Im Reservat zwang man Hump, sich von vier seiner fünf Frauen zu trennen und einen amerikanischen Namen anzunehmen. Man nannte ihn Moses. Die Agenten wollten die vollständige Assimilation der Indianer. Sie zerstörten die Stammesstruktur und verboten Kulthandlungen wie den Sonnentanz und den Geistertanz. In den Reservaten verloren wir unsere Tradition.«
Ähnlich radikal versuchte auch Richard Henry Pratt, der Gründer der berüchtigten »Carlisle Indian Industrial Boarding School« (1879), die Indianer zu assimilieren. Mit seinem Credo »Töte den Indianer, um den Menschen zu retten« überschrieb er die Anstrengung der Internatsschulen an der Ostküste, die Indianerkinder aus ihrer vertrauten Umgebung zu reißen und sie fernab ihrer Familien zu Weißen zu erziehen. Indem man ihnen die Haare schnitt, ihnen die Kleider von Weißen anzog und ihnen verbot ihre Muttersprache zu sprechen, hoffte man darauf, sie ihrer
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