Jene Nacht im Fruehling
Maxie einen Moment so böse an, daß Mike unwillkürlich einen Schritt von ihrem Bett zurückwich. Als er sich von seinem Schrecken erholt hatte, meinte er grinsend: »Offenbar ist sie doch nicht so schwer, wie ich glaubte.«
Maxie lachte verlegen. »Nein, sie ist mir nicht zu schwer. Ich wünschte, ich hätte sie so in meinen Armen halten können, als sie noch ein Kind war. Ich wünschte, ich wäre bei ihr gewesen, als . . .«
». . . als ihre Mutter starb?«
Maxie sah zur Seite, weil sie wußte, daß sie an Allisons Tod schuld war; denn wenn sie Cal nicht geheiratet hätte, wäre die Elliot-Familie niemals mit Doc und Half Hand in Verbindung gebracht worden.
»Der Arzt gab ihr eine Beruhigungsspritze, damit sie schlafen konnte«, sagte Maxie. »Erst wollte er sie ihr zwar nicht geben, doch dann haben ihm die anderen Heiminsassen so lange zugesetzt, bis er gar nicht mehr anders konnte.« Sie sah Mike mit einem dankbaren Lächeln an. »Seit Sie diese Bücher, Spiele, Magazine und all die anderen schönen Sachen für das Heim gekauft haben - ganz zu schweigen von der Einrichtung dieses Zimmers -, würden die Leute hier für Sie durchs Feuer gehen, wenn Sie das von ihnen verlangten. Für die Heimbewohner sind Sie eine Kombination aus Heiligem und Superman.«
»Sie täuschen sich. Das war alles nicht meine Idee, auch wenn Sammy Ihnen vielleicht etwas anderes erzählt hat. Bevor ich Sam kennenlernte, war ich ein lupenreiner Egoist - ein Junggeselle, der seine Tage damit verbrachte, sich auszurechnen, wie er sein bereits horrendes Bankguthaben noch um etliche Nullen vergrößern könnte, und seine Nächte damit, sich mit irgendeiner schönen Frau -die ihm nichts bedeutete - von dieser strapaziösen Tätigkeit zu erholen.«
Maxie streichelte Samanthas Arm und legte ihr eine Hand auf die Wange. Sie schien in dieser Nacht noch ein paar Runzeln hinzubekommen zu haben; denn das, was sie von Samantha über den Tod ihrer Mutter erfahren hatte, war nicht spurlos an ihr vorübergegangen.
»Und jetzt hat sich Ihr Leben verändert?« fragte Maxie.
Mike trat ans Bett und strich Samantha behutsam das Haar aus der Stirn. »Es hat sich sehr verändert. Nun habe ich das Gefühl, als wäre es . . . Aber ich möchte jetzt nicht sentimental werden.«
Maxie sah ihn mit ihren wachen, intelligenten Augen unverwandt an. »Warum nicht, wenn es meiner Enkelin bekommt?«
»Also - ich habe das Gefühl, als hätte mein Leben jetzt erst einen Sinn bekommen. Vielleicht lachen Sie mich aus, wenn ich sage, daß ich auf Sam gewartet habe. Und wissen Sie, was ich noch glaube? Ihr Vater wußte, daß ich auf seine Tochter wartete.«
»David«, sagte Maxie leise, »mein schöner Sohn.« Einen Moment blickte sie mit feuchten Augen wieder zur Seite, als würde sie daran denken, was sie alles versäumt hatte: das Leben ihrer Enkelin, den Tod ihres Sohnes. Und daß man vermutlich sie statt die Mutter eines kleinen Mädchens umgebracht hätte, wenn sie 1975 noch bei ihrer Familie gewesen wäre.
Mike nahm Maxies Hand von Sams Schulter und hielt sie fest. »Dave wollte mir damals, als ich ihn in Louisville besuchte, nicht erlauben, Samantha kennenzulernen. Ich fand das sehr merkwürdig, war sogar beleidigt, daß er mich aus dem Haus haben wollte, ehe Samantha in Louisville eintraf, zumal er mich doch in ihrem und nicht im Gästezimmer untergebracht hatte.« Mike hielt einen Moment inne, weil er jetzt verstand, warum Sams Zimmer sich seit dem Tod ihrer Mutter nicht verändert hatte. Für Dave war die Zeit an jenem kalten Februarmorgen, als seine Frau auf so brutale Weise ermordet worden war, stehengeblieben - und deshalb mußte auch die Uhr für seine kleine, damals noch so umtriebige kleine Tochter angehalten werden.
»Dave hat den ersten Ehemann für Samantha ausgesucht«, sagte Mike, Maxie in die Augen sehend.
Sie brauchte einen Moment, ehe sie begriff, was er ihr damit sagen wollte. »Und nun glauben Sie, daß er auch Sie für Sam ausgesucht hat?« Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Ja, davon bin ich überzeugt. Dave versicherte mir immer wieder, daß er das, was er Sam angetan hatte, wieder gutmachen wollte. Ich schäme mich, Ihnen gestehen zu müssen, daß ich daran gedacht hatte, er könnte sie auf unsittliche Weise belästigt haben. Heute weiß ich, was er damit meinte. Er machte sich Vorwürfe, weil er ihr beim ersten Mal den falschen Mann ausgesucht hatte. Und wenn ich jetzt an meinen Besuch bei ihm zurückdenke, mußte er
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