Jene Nacht im Fruehling
geweckt, ehe diese aufging. Schlaftrunken blickte sie hoch und sah Mike mit einem Tablett, auf dem einige Tüten lagen, ins Zimmer kommen. »Gehen Sie weg«, murmelte sie und verkroch sich unter der Decke.
Natürlich weigerte er sich, ihrer Aufforderung nachzukommen, was sie nicht verwunderte; denn ihrer bisherigen Erfahrung nach war Michael Taggert eine Kombination aus Wachhund, Wärter und Lüstling.
Das Tablett abstellend, setzte er sich auf den Bettrand. »Ich habe Ihnen etwas zu essen gebracht, Ihre Kleider von Saks wurden vor einer Stunde angeliefert, und Barrett hat uns übermorgen zum Tee eingeladen. Er schickt uns einen Wagen.«
»Oh«, sagte sie, sich im Bett umdrehend. Es war schon fast ein vertrauter Anblick für sie, ihn auf dem Bettrand sitzen zu sehen.
»Was interessiert Sie nun von diesen dreien - das Frühstück, Barrett oder die Kleider?«
»Glauben Sie, daß das kleine blaue Jackett auch bei den gelieferten Sachen ist? Das mit den großen Knöpfen?«
Er nahm ein Brötchen aus einer Tüte. »Also die Kleider. Ich kann Ihnen keinen Vorwurf machen, daß Sie sich nicht für einen Mann interessieren, der vielleicht mit Ihnen verwandt ist oder auch nicht. Verwandte sind mir ebenfalls ein Greuel.«
Gähnend setzte sich Samantha langsam im Bett auf und lehnte sich gegen das Kopfteil. »Sie wissen wohl nicht, wovon Sie sprechen. Sie haben ja keine Ahnung, wie froh Sie sein können, daß Sie noch Verwandte haben. Ihre Kusine Vicky war zu mir sehr liebenswürdig - und sehr nachsichtig mit Ihnen.«
Er reichte ihr ein Brötchen und einen großen Pappbecher mit frischgepreßtem Orangensaft. »Sie gehört zu den wenigen Montgomerys, die halbwegs erträglich sind, aber sie ist ja keine Montgomery aus Maine.«
Mike hatte bereits den Mund voll, und da waren auch schon Krümel auf ihrem Bett, aber er sah so gut aus, wenn er sich so bequem zurücklehnte. Sein volles dunkles Haar war noch feucht vom Duschen, er war frisch rasiert, und er trug ein altes Drillichhemd, unter dem sich alle Muskeln seines Körpers abzeichneten. Es war besser, ihn reden zu lassen, überlegte sie; denn solange er redete, würde er sie nicht anfassen. Sie holte tief Luft: »Wer sind die Montgomerys?«
»Es sind meine Vettern und Kusinen, eine größere Bande von Langweilern haben Sie Ihr Lebtag noch nicht gesehen.«
»Eine Bande von Langweilern?«
»Lackaffen, aufgeblasene Wichtigtuer«, schnaubte Mike. »Und Teetrinker. Da ist nicht einer darunter, der nicht in Ohnmacht fallen würde, wenn Sie ihm ,zumuten würden, Bier aus der Flasche zu trinken.«
»Und diese Kusinen und Vettern leben in Maine?« fragte sie, während sie ein Stück von einem Rosinenbrötchen abbiß.
»Ja.« Da sprach Feindseligkeit aus seiner Stimme, und sie fragte sich, womit seine Vettern sich wohl seine Abneigung verdient haben mochten. Ihren Gedanken erratend, begann er ihr den Grund zu erklären: »Es ist in meiner Familie Tradition, daß die Montgomery-Kinder den halben Sommer in Colorado verbringen und die Taggerts den halben in Maine. Ich weiß nicht, wer mit dieser Unsitte angefangen hat, aber ich bin sicher, er schmort jetzt in der Hölle.«
»Oh? Was passierte denn, als Sie ihre großen Ferien in Maine verbrachten?«
»Meine Vettern, diese Schufte, versuchten uns umzubringen!«
»Das soll wohl ein Scherz sein.«
»Keineswegs. Sie taten alles nur Menschenmögliche, um zu erreichen, daß wir den Sommer nicht überlebten. Die meisten von ihnen wohnen am Meer, fahren zur See und sind schon mehr Fisch als Mensch. Mein Bruder sagt, sie hätten statt einer Haut Schuppen. Sie pflegten zum Beispiel mit uns auf den Ozean hinauszurudern, dann ins Wasser zu springen und ans Ufer zu schwimmen. Sie wußten, daß nicht einer von uns schwimmen konnte.
»Wie kamen Sie dann ans Ufer zurück?«
Michael lächelte auf eine selbstgefällig Weise. »Wir ruderten. Wir konnten zwar nicht alle schwimmen, aber wir hatten zumindest ein paar Muskeln.«
Samantha kicherte leise in sich hinein, als er seinen Bizeps anspannte, um den Beweis für seine Behauptung anzutreten. »Und was passierte, als Ihre Vettern dann nach Colorado kamen?«
»Nun, wir waren natürlich ein bißchen verschnupft darüber, wie sie uns in Maine behandelt hatten.«
»Verständlich.«
»Und Sie müssen auch verstehen, was für eine Sorte von Menschen diese Montgomerys sind. Die unausstehlichste Bande von der Welt. Sie bedankten sich ständig bei meiner Mutter und vergaßen nie, sich bei Tisch eine
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