Jene Nacht im Fruehling
Essen wurde angeliefert, und ehe Samantha wußte, wie ihr geschah, fungierte sie sowohl als Gastgeberin wie auch als Dienstmädchen. Den Rest des Abends schien sie fast ausschließlich in der Küche zu verbringen, wo sie Platten und Teller nachfüllte, Bier in hohe Kelchgläser goß und dann die mit Speisen und Getränken beladenen Tabletts in den Garten schleppte. Einmal, als sie gerade in den Garten hinausgehen wollte, fing Mike sie in der Nähe der Tür ein, schlang von hinten seine kräftigen Arme um sie und drückte sie an sich. Dann biß er sie sacht ins Ohrläppchen.
»Lassen Sie mich los!« fauchte sie. Da sie auf den Händen ein schweres Tablett balancierte, konnte sie ihm nicht mit dem Ellenbogen in die Rippen boxen, wie sie sich das gewünscht hätte.
»Ich würde Sie gern immer so festhalten«, flüsterte er ihr ins Ohr, an ihrem Ohrläppchen knabbernd.
»Sie sind betrunken!« Mit einer schnellen Körperdrehung befreite sie sich aus seinem Griff, stellte das Tablett ab, drehte sich um und blickte Mike böse an, was ihn aber nicht hinderte, sie anzulachen. Als Samantha wieder in die Küche zurückkehrte, sah sie Daphne an der Verandatür stehen. Offenbar hatte sie beobachtet, was sich vorhin dort zwischen Samantha und Mike abgespielt hatte.
»Sie sind nicht in ihn verliebt«, stellte Daphne lakonisch fest.
Samantha blickte sie überrascht an. »Nein, das bin ich nicht. Ist das etwas Ungewöhnliches?« Sie sah über die Schulter in den Garten zurück, wo die drei anderen Frauen sich darin ablösten, mit Mike zu tanzen. »Er scheint ja eine Menge Frauen zu haben, die in ihn verliebt sind.«
Daphne lächelte. »Das stimmt. Mike ist ein Mann, in den man sich leicht verlieben kann. Immer zuvorkommend und großzügig. Und er sorgt für seine verwundeten Vögel.«
Samantha trug das leere Tablett in die Küche und füllte eine Schüssel mit Kartoffelsalat.
»Verwundete Vögel?«
»Ja, wie ein Pfadfinder, würde ich sagen, obwohl ich nicht sonderlich viele Vertreter dieser Gattung kennengelernt habe«, erwiderte Daphne, die ihr in die Küche gefolgt war. »Mike liebt es, Menschen zu retten.«
»Und was macht er mit ihnen, wenn er sie gerettet hat?« erkundigte sich Samantha leise.
Daphne lächelte. »Er befreit sich rasch wieder von ihnen, soweit ich das beurteilen kann.« Sie deutete mit dem Kopf auf die Mädchen draußen im Garten, die Mike mit verklärten Augen ansahen. »Schauen Sie sich die drei an. Jede von ihnen glaubt, sie wäre diejenige, die Mike einfangen wird. Aber wissen Sie, was? Nächstes Jahr um diese Zeit wird keine von ihnen mehr in dieses Haus eingeladen werden. Aber nun nehmen Sie mich. Ich kenne Mike schon zwei Jahre und habe Frauen kommen und gehen sehen, die ihn alle so verliebt angeschaut haben wie die drei dort draußen, aber mit keiner von ihnen, soweit ich weiß, ist er auch nur einmal ins Bett gegangen.«
»Doch Sie sind immer noch hier«, sagte Samantha. Daphne nahm die Schüssel hoch, die Samantha gefüllt hatte. »Aber ich habe mich auch nie in ihn vergafft, verstehen Sie?« Sie warf Samantha einen Blick zu, den man nur als Warnung verstehen konnte. »Seien Sie vorsichtig, Schätzchen. Mike ist ein Herzensbrecher - ein wahrer Herzensbrecher.«
Nach dieser Unterhaltung mit Daphne blieb Samantha eine Weile allein in der Küche. Ein Herzensbrecher, überlegte sie. Was sie in ihrem Leben nicht gebrauchen konnte, war, daß ihr das Herz ein zweitesmal gebrochen wurde. Genauer gesagt: Sie würde es wohl nicht überstehen, wenn man ihr ein zweitesmal das Herz aus der Brust riß.
»Sind Sie okay?« fragte Mike hinter ihr.
Sie drehte sich um und blickte ihn an. Er sah so gut aus, daß es ihr zuweilen schwerfiel, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn er in ihrer Nähe war. Den ganzen Tag hindurch war sie sich bei jedem Wort, das er sagte, nur zu deutlich der Bewegung seiner Lippen bewußt geworden.
Mike kam einen Schritt näher. »Sie schauen mich so seltsam an. Möchten Sie, daß ich den vieren sage, sie sollen jetzt gehen?«
Mit einem kühlen Lächeln erwiderte sie: »Nein, bitte nicht.« Sie drehte sich von ihm weg. »Ich bin ziemlich müde und denke, daß ich jetzt zu Bett gehen sollte.«
Da trat er neben sie und neigte, sie forschend anblickend, den Kopf etwas zur Seite. Dann legte er ihr die Hand unter das Kinn und zwang sie dazu, ihn anzusehen. »Etwas stört Sie. Hat Daphne Ihnen vielleicht eine von Ihren Männergeschichten erzählt? Ich kann Ihnen versichern, daß
Weitere Kostenlose Bücher