Jenny und der neue Vater
später kam Julian Mal wieder zu Kirsten in die Küche. „Das war ganz toll, wie Sie mit meinem Vater gesprochen haben. Der ist plötzlich so ganz anders. Er hat mich gestern sogar gelobt, und am Sonntag will er mich mitnehmen auf den Fußballplatz. Wie haben Sie das gemacht?“
„Ach, das war gar nicht so schwer. Du hast nur Schwestern, ja?“ Julian nickte unglücklich. „Na, siehst du? Ich musste deinem Vater nur beibringen, dass du sein Sohn bist. Da spielt es doch keine Rolle ob leiblich oder nicht.“
„Mann, Sie sind eine Wucht!“
„Wenn du meinst“, lächelte Kirsten vergnügt. Wenigstens hier hatte sie ein wenig dazu beitragen können, dass sich zwei Menschen neu entdeckt hatten.
*
Eine lange Wärmeperiode war es nun schon, seit mehr als zwei Wochen brannte die Sonne von Himmel, ohne dass sich mehr als ein paar Schönwetterwolken zeigten. Mittlerweile war jedermann die Hitze leid, und selbst die hartnäckigen Sonnenanbeter sehnten einen Regenschauer herbei.
Besonders Jenny mit den Fieberanfällen litt stark darunter, dass es nicht nur in ihrem Innern heiß war, sondern auch draußen keine Abkühlung in Sicht. Es ging ihr etwas besser, doch der Arzt hatte noch immer keine Ursache für das hartnäckige Fieber gefunden, und das Mädchen war noch sehr geschwächt, denn die Krankheit zehrte an ihren Kräften.
Es war Julian, Björn und auch ihrer Mutter immer wieder gelungen, sie etwas aufzumuntern, aber noch kehrte das Fieber immer wieder zurück, ohne dass jemand etwas dagegen unternehmen konnte. Und so hatte der Arzt auch untersagt, dass Jenny schon wieder zur Schule ging. Zu groß war die Gefahr, dass sie sich zusätzlich zu diesem unberechenbaren Fieber eine weitere Krankheit zuzog. Ihr selbst gefiel das überhaupt nicht, denn sie langweilte sich zuhause, obwohl sie die Möglichkeit hatte, all die Bücher zu lesen, die sie wollte. Und natürlich wurde sie auch weiterhin verwöhnt von Kirsten und Björn und ganz besonders von Julian, der jede freie Minute hier verbrachte.
Er war sogar dazu übergegangen, gleich nach der Schule her zu kommen, seine Hausaufgaben hier zu machen, wobei Kirsten ihm manchmal half, und auch hier zu essen. Kirsten wunderte sich darüber, dass seine Eltern das zuließen, und sie wollte auf jeden Fall einmal mit ihnen reden, obwohl sie nichts gegen die Anwesenheit des Jungen hatte.
Aber bisher ging Jenny vor, und ihre Arbeit hatte sie selbst ja auch. Da Alexander allen Beteuerungen zum Trotz, er wolle nur das Beste für Kirsten und Jenny, nicht bereit war Unterhalt zu zahlen, war Kirsten auch auf die Arbeit angewiesen. Björn war großzügig, er hätte der geliebten Frau jeden Betrag zur Verfügung gestellt – wenn sie diese Art von Hilfe angenommen hätte. Björn hatte nur einmal vorsichtig angedeutet, dass Kirsten selbstverständlich jede Summe...
„Ich will dich nicht beleidigen, aber ich würde niemals etwas annehmen als Almosen. Ich kann arbeiten – wenn nicht bei dir, dann woanders, da würde ich im Zweifel nicht wählerisch sein“, hatte sie mit Stolz und Würde klargestellt.
Daraufhin hatte Björn sie liebevoll angesehen und leicht geschmunzelt.
„Das war mir eigentlich schon klar. Ich wollte nur, dass du es weißt, meine Liebe. Und ich hatte ebenfalls nicht vor, dich zu beleidigen.“
Das lag jedoch weit zurück, als Kirsten an diesem brütend heißen Tag in Geschäft stand und von einer Kundin genervt wurde, die unbedingt ein Buch in einer ganz bestimmten Ausgabe haben wollte, die jedoch nicht mehr verfügbar war. Es musste einfach an der Hitze liegen, dass die Leute streitsüchtig, rechthaberisch und einfach schwierig wurden.
Endlich aber ging die Frau, und Kirsten stöhnte ein wenig.
„Schau mal, ich glaube, heute gibt es noch eine Abkühlung, endlich“, bemerkte eine ihrer Kolleginnen und deutete aus dem Fenster, wo man sehen konnte, wie sich am Himmel dicke Gewitterwolken zusammenballten.
„Ja, wahrscheinlich kommt es genau dann herunter, wenn wir nach Hause gehen, damit wir alle nass werden, weil ja keiner von uns einen Schirm dabei hat.“
„Ach, ich bringe euch auch mit dem Wagen, wenn es zu schlimm kommt“, bot Björn großzügig allen an.
„Mir ist das ziemlich egal, Hauptsache, die Hitze lässt nach. Das wird auch Jenny gut tun“, stellte Kirsten fest.
„Ich komme heute Abend und bringe Nachschub für die Kleine“, versprach Björn.
„Du verwöhnst meine Tochter viel zu sehr. Und mich auch.“ Trotz ihrer Worte
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