Jenny und der neue Vater
immer alles nicht gewollt, was du mit unbedachten Worten und Taten anrichtest. Du denkst immer nur an dich. Und du hast bis heute nicht begriffen, dass du selbst alles zerstört hast. Lass uns endlich in Ruhe, Alex. Ich will nicht mehr, und ich kann auch mehr.“
„Aber Kirsten, so glaube mir doch...“
„Das einzige, was ich glaube, ist, dass wir ohne dich besser dran sind. Ich will dich nicht mehr wiedersehen, außer vor dem Scheidungsrichter, der einen Schlussstrich unter unsere Ehe zieht, die ein schrecklicher Irrtum war.“
Hass stand in seinen Augen, als Alexander jetzt einsehen musste, dass all seine Beteuerungen ins Leere liefen.
„Das wird dir noch leidtun“, stieß er hervor.
„Es gibt nicht mehr viel, was du uns noch antun kannst“, kam die leise Erwiderung.
Er blieb stehen, und nur langsam verstand er die Bedeutung dieser Worte. Kirsten hatte sich endgültig von ihm losgesagt. Was sollte er nun tun? Zunächst einmal nachdenken. Und wenn sie bei ihrem Starrsinn blieb, dann musste er einen Weg zur Rache finden. Niemand schickte ihn ungestraft davon.
*
Als Kirsten noch völlig aufgewühlt hereinkam, hörte sie Stimmen aus Jennys Zimmer. Julian war da und hatte es geschafft, ihrer Tochter ein kleines Lachen zu entlocken.
Dem Himmel sei Dank für diese Freundschaft, die sie zunächst mit so großer Skepsis betrachtet hatte.
„Habe ich nicht gesagt, du sollst die Tür nicht aufmachen, wenn es klingelt?“, schalt sie ihre Tochter liebevoll und nicht ganz ernsthaft, während sie Julian zur Begrüßung das Haar zauste.
„Aber Mama, er hatte doch nicht geklingelt“, protestierte Jenny empört. „Er hat kleine Steine ans Fenster geworfen, da wusste ich doch gleich, wer es ist.“
„So, so, du wolltest also unsere Fenster einwerfen, junger Mann? Und noch was, warum bist du nicht in der Schule? Du schwänzt doch nicht etwa?“
Julian kicherte. „Nein, die beiden letzten Stunden hatten wir Sport, und das ist ausgefallen, weil da renoviert wird.“
Das hatte allerdings auch Kirsten schon gehört, da sagte der Junge die Wahrheit. „Und dann hast du nichts besseres zu tun, als gleich zu Jenny zu laufen? Das war lieb und aufmerksam von dir.“
Julian errötete ein wenig bei diesem Lob. „Ach, ich muss doch dafür sorgen, dass sie nicht zuviel verpasst. Deshalb habe ich von Katrin die Hausaufgaben besorgt, so dass Jenny üben kann.“
„Die beste Idee des Tages“, befand Kirsten. „Und zur Strafe musst du jetzt hier essen.“
„Eine sehr gute Idee, ich sterbe vor Hunger. Was gibt es denn?“ Julian folgte Kirsten in die Küche, wo sie sich gleich am Herd zu schaffen machte.
„Du bist wirklich lieber Junge“, stellte sie dann noch einmal fest.
„Na, das erzählen Sie mal meinem Vater, der glaubt Ihnen kein Wort“, erwiderte er betrübt. Kirsten nahm sich vor, wirklich einmal die Eltern von Julian aufzusuchen. Schon längst hatte sie den Verdacht, dass ein Grund für seine häufigen Besuche seine eigenen häuslichen Schwierigkeiten sein mochten. Aber erst einmal war jetzt wichtig, dass Jenny wieder gesund wurde.
Die ersten Untersuchungen beim Arzt hatten kein Ergebnis gezeigt, und die Auswertung der anderen Tests dauerte noch etwas. Doch das Mädchen schien langsam wieder ins Leben zurück zu finden, jedenfalls machte sie schon wieder einen munteren Eindruck, auch wenn das Fieber unverändert hoch lieb.
Wie fast jeden Tag kam gegen Abend auch wieder Björn, und sie wirkten zusammen schon wie eine Familie. Wenn nur das Theater mit Alexander endlich zuende wäre. Er musste einfach einsehen, dass er keinen Platz mehr im Leben von Kirsten und Jenny hatte. Aber Kirsten fand es nicht gut, dass Jenny oft so unbeaufsichtigt blieb, sie hatte ein äußerst schlechtes Gewissen dabei. Sie wollte mit der netten Nachbarin Frau Hoffmann reden, damit die, solange Jenny noch krank war, ein bisschen Aufsicht hielt.
Frau Hoffmann erklärte sich auch gleich bereit, mehrmals nach Jenny zu sehen. Das beruhigte Kirsten ungemein, und sie hoffte auch, dass dieser Zustand sich recht bald ändern würde.
*
Endlich fand Kirsten die Zeit, Julians Eltern aufzusuchen
Sie wollte sich nicht telefonisch ankündigen, das hätte so einen schrecklich offiziellen Eindruck gemacht. Stattdessen ging sie an einem Nachmittag, da Julian noch bei Jenny war, einfach zum Haus hin, wo der Junge wohnte.
Schon von außen sah die junge Frau, dass es sich hier um eine wohl kinderreiche Familie handelte.
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