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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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besaß«, log Craig und fühlte sich mies, aber er durfte nicht erwähnen, dass die Entführer verlangten, er solle seinem Arbeitgeber falsche Informationen liefern, damit dieser sie in Ruhe ließ. Ein simpler Deal: lügen und sich zurückziehen. Unglücklicherweise ging das gegen die Prinzipien von Ted Bellamy. Verzweifelt bat er seine Firma, wie er sie Freunden gegenüber dezent nannte, um Hilfe. Die Organisation tat alles in ihrer Macht Stehende und bewies lediglich, dass sie nur ein Käfig voller Narren war.
    Lucille drückte seine Hand und holte ihn damit aus seinen Gedanken. »Wie ging es weiter?«
    Er flüsterte beinahe: » › Wir haben Mildred Bellamy in einen Verschlag unter der Erde gesperrt ‹ , teilten uns die Entführer mit, › irgendwo in den Sümpfen. Ihr solltet besser schnell auf unsere Forderung eingehen. Nach achtundvierzig Stunden werden wir die Luftzufuhr kappen. ‹ «
    »Dann hattet ihr einen Anhaltspunkt.« Hoffnungsvoll schaute sie ihn an, dabei wusste sie doch, dass die Geschichte kein gutes Ende genommen hatte.
    »Sümpfe gibt es in Florida wie Sand am Meer, und die Zeit, die zwischen der Entführung und dem Anruf lag, war lang genug, als dass die Kidnapper meine Mom überallhin hätten verschleppen können.«
    Lucille legte ihre Handflächen aneinander und tippte damit gegen ihren Mund. Dann nahm sie sie wieder runter. »Ihr habt doch sicher die Polizei eingeschaltet.«
    Er nickte und nährte damit sein schlechtes Gewissen, denn eigentlich hatte sich sein Vater mit seinen Arbeitskollegen auf die Suche begeben, während Craig zu Hause neben dem Telefon gewartet hatte. Sein Vater und er, sie hatten sich die Emotionen geteilt, um nicht an der Situation zu zerbrechen, aber auch weil sie völlig andere Charaktere gewesen waren. Ted Bellamy hatte wie ein wütender Bullterrier jeden verdammten Sumpf in Florida durchkämmt, aber keine einzige Träne vergossen. Craig dagegen war in seiner Verzweiflung fast ertrunken.
    Nachdem sein Vater vor Kurzem unter dramatischen Umständen verstorben war, hatte Craig gedacht, er würde langsam so werden wie sein Dad, ein harter Hund, der leidenschaftlich hasste und ohne mit der Wimper, zu zucken Vergeltung üben konnte.
    Aber Lucille hatte ihm gezeigt, dass die Dinge nicht immer eindeutig waren. Der Wunsch nach Rache war kindisch gewesen. Er wollte nicht böse werden, um Gutes zu erreichen. Der Zweck heiligte eben nicht die Mittel. Und Lucilles aschfahler Teint – selbst ihre Lippen waren blutleer – bewies ihm, dass sie keine gefühlskalte Gangsterbraut war.
    Craig zog Lucille in seine Arme und genoss es, dass sie sich an ihn schmiegte.
    »Moms Verschlag stellte sich als Holzkiste heraus, man hatte sie am Rande des Sumpfgebietes im Big Cypress National Preserve eingegraben.« Lucille versteifte sich. »Der Schlamm hatte an einer Seite die Bretter eingedrückt.«
    Craig brachte es nicht mehr fertig, den Namen seiner Mutter auszusprechen, und sagte einfach nur »sie«. »Die ganze Zeit hatte sie aufrecht stehen müssen.« Er selbst war nicht vor Ort gewesen, hatte sich aber die Tatortfotos angesehen, um glauben zu können, dass seine Mutter wirklich dort gestorben war. Die Bilder verfolgten ihn bis heute.
    »Man hat sie mithilfe einer Wärmebildkamera entdeckt, drei Tage nach ihrem Verschwinden. Ihr Körper zeigte noch schwache Vitalwerte, aber sie gelangte nie wieder zu Bewusstsein. Schlamm hatte die Belüftungsschlitze verstopft.« Craigs Meinung nach war das kein Versehen gewesen, kein Zeichen von Dilettantismus. Die Entführer hatten in seinen Augen gar nicht versucht, Ted dazu zu bringen, seine Ermittlungen gegen sie einzustellen, sondern der grausame Tod von Mildred Bellamy gehörte von Anfang an zu ihrem Plan – eine deutliche Warnung an seinen Arbeitgeber. »Sie starb in den Armen meines Vaters.«
    Man hatte seine Mom lebendig begraben und zurückgelassen, um qualvoll zu sterben. Darüber würde Craig nie ganz hinwegkommen.
    Den Schmerz in seinem Brustkorb ertrug er schweigend. Seit der Entführung war er sein ständiger Begleiter. Mal kreischte er laut auf, mal summte er gleichmäßig, aber er verstummte nie. Craig hatte sich an ihn gewöhnt.
    Zu seiner Überraschung weinte Lucille. Ihre Unterlippe zitterte. Lautlos rannen die Tränen über ihre Wangen. »Wisst ihr, wer die Entführer waren?«
    Einer von Dads vielen Kunden, dachte er zynisch. »Man hat sie nie gefasst.« Craigs Glaube an die Gerechtigkeit hatte darunter gelitten, während sein

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