Jenseits aller Tabus
doch die Ermittlungsbehörde hatte keine Hinweise auf Tod durch Fremdeinwirkung gefunden und den Fall zu den Akten gelegt.
Ein Special Agent weniger. Na und? Was machte das schon, dachten die Verantwortlichen vermutlich. Die FBI-Akademie auf der Marinebasis in Quantico brachte trotz der harten Ausbildung genügend Nachwuchskräfte hervor, weil die Agenten schon nach zwanzig Jahren Anspruch auf eine volle Pension bekamen und mit fünfundfünfzig Jahren diese bereits genießen konnten.
»Kanonenfutter für den Staat«, zischte Craig zynisch. Nicht mit ihm!
In Washington, D. C., hatte man gehört, dass Ted Bellamy sein Wissen und seinen Erfahrungsschatz an seinen Sohn weitergegeben hatte. Wie oft das Federal Bureau of Investigation bei Craig angeklopft und ihn eingeladen hatte, sich für eine Ausbildung zu bewerben, konnte er nicht mehr zählen. Da Ted zu den besten Agenten gehört hatte, hoffte man, dasselbe verbissene Engagement in seinem Sohn zu finden.
Die Bitte, Lucille Dawson Unterschlupf zu gewähren, war nur eine weitere hinterhältige Methode gewesen, Craig zu überzeugen und durch diesen Umweg in den Staatsdienst zu locken. Bevor er es merkte, wäre er heiß auf weitere Verbrecherjagden. Doch das würde nicht funktionieren! Sein Dad hatte ihn auch in Taktik unterrichtet.
Plötzlich hörte Craig jemanden hinter sich husten. Eine Wagentür wurde zugeknallt. Er schaute über die Schulter. Tadhg McCarthy kam vom Parkplatz auf ihn zu. Während der Special Agent sich mit einem Stofftaschentuch die Nase putzte, stapfte er zwischen den Gräbern hindurch, anstatt den offiziellen Gehweg zu benutzen. Das schwarze Leder des Aktenkoffers, den er bei sich trug, sah verdammt teuer aus.
Innerlich wappnete sich Craig für eine verbale Auseinandersetzung, blieb jedoch äußerlich gelassen. Ihm war klar gewesen, dass die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums versuchen würde, ihn von der Exhumierung seines Vaters abzuhalten, weil die Verantwortlichen glaubten, jeder Bundesagent würde in den Besitz des Staates übergehen und das auf ewig bleiben, selbst nach dem Tod. Craig hatte nicht um Erlaubnis gebeten, selbstverständlich hatte das FBI trotzdem davon erfahren.
Dass McCarthy allerdings persönlich aus D. C. nach Cape Coral geflogen war, weckte Craigs Misstrauen. Hatten die Behörde etwas zu verbergen? Er würde es herausfinden, koste es, was es wolle!
Breitbeinig stelle sich McCarthy vor den Bagger, bevor dieser seine Schaufel in die Erde stoßen konnte. Dass er dabei auf dem Grab von Ted Bellamy stand, scherte ihn offensichtlich einen feuchten Dreck.
»Gehen Sie da runter!«, sagte Craig scharf. Am liebsten hätte er den führenden Agenten heruntergeprügelt.
Der Special Agent folgte seiner Anweisung und setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf, als würde er Craig großzügigerweise diesen Gefallen gewähren. »Warum so empfindlich?
Sie wollen das Grab doch eh ausheben lassen.«
Das war etwas ganz und gar anderes, aber es war müßig, das zu erklären. Craig hatte selten jemanden mit einer solch unsympathischen Ausstrahlung kennengelernt. Wann immer er McCarthy begegnete, musste er auf dessen Mund starren. Ständig fuhr der Agent mit der Zungenspitze über seine Eckzähne, die so spitz wie bei einem Vampir zuliefen. Sein Blick hatte etwas Taxierendes, Stechendes. In seiner Gegenwart fühlte sich selbst ein Unschuldiger schuldig. Aber der Bundesagent konnte ihm nichts anhaben, denn Craig hatte sich abgesichert. Selbstbewusst und auf alles vorbereitet entnahm er der Mappe, die er unter der Achsel trug, ein Dokument und reichte es ihm.
»Scheiß Klimaanlagen.« Ein letztes Mal wischte McCarthy unter seiner Nase her und steckte das Taschentuch ein. Die richterliche Erlaubnis zur Exhumierung beachtete er nicht. »Liegt mir bereits als Kopie vor. Sie kennen die richtigen Leute, Mr Bellamy. Aber Sie hätten die Genehmigung nie ohne die Absprache mit dem FBI erhalten dürfen. Ihretwegen werden Köpfe rollen.«
Er meinte Richter Caviness, einen Freund seines Vaters, der sein Einverständnis gegeben hatte, Ted Bellamys Leiche erneut von einem unabhängigen, von Craig bezahlten Rechtsmediziner untersuchen zu lassen. McCarthys Drohung zeigte bei Craig keine Wirkung. Caviness hatte die Ermittlungsbehörde immerhin in Kenntnis gesetzt, wenn auch so spät wie möglich, und daher nicht mehr als eine Abmahnung zu befürchten. »Blasen Sie sich nicht auf.«
»Sie gehen zu weit, Bellamy!« Polternd
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