Jenseits aller Tabus
stellte der Agent seinen Aktenkoffer ab.
»Nur weil das Bureau mich dazu zwingt. Hätten Sie Ihre Arbeit richtig gemacht, müsste ich diese heilige Ruhestätte nicht entweihen.«
Ungeniert zog McCarthy seine Nase hoch. »Wir arbeiten immer korrekt.«
»Wenn das der Fall ist, warum wurde die Lei…«, umständlich steckte Craig das Dokument weg, »mein Vater nicht von einem Toxikologen untersucht?«
Der Friedhofswärter führte zwei Mitarbeiter des von Craig beauftragten Labors zu ihm. Die beiden Männer würden den Leichnam samt Sarg mitnehmen, da beim Umbetten der Leiche in eine Transportkiste Spuren kontaminiert werden konnten, falls das FBI das nicht schon getan hatte. Sie hoben die Hand zum Gruß, um Craigs Gespräch mit McCarthy nicht zu unterbrechen, worauf Craig dem Baggerfahrer ein Zeichen gab, anzufangen.
Unwirsch stapfte der Special Agent zum Fahrer, zerrte ihn aus der Kabine und zeigte ihm seinen Dienstausweis. Nachdem er einige Worte mit ihm gewechselt hatte, kehrte er zu Craig zurück. »Sie können das nicht durchziehen, Bellamy!«
»Nichts kann mich aufhalten«, stellte Craig klar und bereitete sich darauf vor, McCarthy abzuwehren, sollte der Special Agent ihn verhaften wollen. »Nicht Sie, nicht die Ermittlungsbehörde, nicht einmal der Präsident persönlich.«
»Sind Sie denn verrückt geworden?«, bellte der Bundesagent so laut, dass Friedhofsbesucher, die gerade Blumen auf ein Grab zwei Reihen entfernt legten, erschrocken herübersahen. »Lassen Sie Ihren Vater in Frieden ruhen.«
»Das kann er erst, wenn die ganze Wahrheit ans Tageslicht gekommen ist.«
»Um was geht es Ihnen eigentlich? Wollen Sie das Bureau bloßstellen, ist es das?« Zänkisch blinzelte McCarthy ihn an.
»Ich will ein umfassendes rechtsmedizinisches Gutachten! Ihres weist Lücken auf«, sagte Craig trocken und wusste, dass er sein Gegenüber sowohl durch seine Anschuldigung als auch durch seine Beherrschtheit noch mehr auf die Palme brachte.
»Tut es nicht.« McCarthy stellte sich aufrecht hin und stemmte seine Hände in die Hüften. »Wir kennen unseren Job, und wir erledigen ihn immer perfekt.«
»Und wieso wurde versäumt, ein toxikologisches Gutachten zu erstellen?«
McCarthy murrte. »Wurde es gar nicht.«
»Wie bitte?« Mit dieser Aussage erwischte er Craig kalt. Hatte er richtig gehört? Er traute seinen Ohren nicht. Für einen Moment verschlug es ihm glatt die Sprache.
»Sie gehören nicht unserer Organisation an, Bellamy, und haben damit kein Recht, in laufende Ermittlungen einbezogen zu werden.«
»Und wie nennen Sie dann die Unterbringung von Mrs Dawson unter meinem Dach?«
»Einen Fehler«, spie McCarthy so heftig aus, dass Speicheltropfen umherflogen. »Ich werde sie noch heute abholen lassen.«
»Kommt gar nicht infrage!«, protestierte Craig etwas zu heftig, aber es war schon zu spät.
Argwöhnisch musterte McCarthy ihn. »Affären mit Personen, die sich im Zeugenschutzprogramm befinden, sind untersagt.«
»Was mich nicht betrifft«, sagte Craig, und ein ironisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel, »da ich ja kein Bundesagent bin und nichts mit irgendwelchen Ermittlungen zu schaffen habe, wie Sie eben klarstellten.«
McCarthy fletschte seine Zähne. Er holte einen Ordner aus seinem Aktenkoffer und überreichte ihn Craig. »Das ist das umfassende Gutachten. Behalten Sie es für sich, oder Sie bekommen Ärger von oberster Stelle.«
Craig hielt den Ordner so vorsichtig in den Händen, als wäre er der Heilige Gral. Aufgeregt blätterte Craig die Unterlagen durch. Sein Puls schlug mit jeder Seite, die er umblätterte, schneller. An dem Bericht des Toxikologen blieb er schließlich hängen.
Mehrmals las er, dass das Gift des Centruroides noxius in den Überresten seines Vaters gefunden wurde. So klein der in Mexiko weit verbreitete Skorpion war – nämlich gerade mal fünf Zentimeter lang –, so tödlich war sein Gift. Aufgrund der starken Verbrennungen der Leiche hatte die Gerichtsmedizin keine natürliche oder unnatürliche Einstichstelle finden können. Da die Konzentration des nachgewiesenen Giftes jedoch sehr hoch war, ging der Rechtsmediziner davon aus, dass jemand es ihm injiziert hatte, und schlussfolgerte, dass Ted Bellamy schon vor der Explosion und dem Brand tot gewesen war. Eine Tatsache, die Craig nur bedingt erleichterte.
»Dawson hat meinen Dad erst vergiftet und dann in die Luft gesprengt?« Nie zuvor hatte er seine Vermutung, dass Richard Dawson seinen Vater ermordet
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