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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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sein Arbeitgeber versichert hat, dass er keinen Auftrag hatte.«
    Mit einem mulmigen Gefühl lehnte sich Lucille gegen die Wand am Kopfende. Ihre Alarmglocken schrillten so laut, dass ihr übel wurde, obwohl sie seit Stunden nichts gegessen hatte – denn das Kartell La picadura del escorpión hatte Venezuela fest im Griff.
    »Er lud mich ein, ihn zu begleiten. Damals verfluchte ich Bellamy Ocean Carrier. Im Juli konnte ich meine Reederei auf keinen Fall alleinlassen, weil wir das Limit unserer Kapazitäten erreicht hatten und die Lage heikel war. Ein Ausfall, ob nun Schiff oder Kapitän, und wir hätten einige Verträge nicht mehr erfüllen können. So etwas ruiniert den Ruf einer Schifffahrtsgesellschaft schnell. Eine Missplanung dieser Art wiedergutzumachen braucht Jahre.«
    Selbstverständlich konnte Lucille seine Entscheidung nachvollziehen. Dennoch klangen seine Erklärungen, als würde er nach einer Entschuldigung suchen, nicht etwa um sich ins rechte Licht zu rücken, sondern weil er zweifelte, dass er damals die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er schien sich Vorwürfe zu machen. »Was um Himmels willen ist in Caracas passiert?«
    »Nach dem, was geschehen ist, sollte ich wohl dankbar sein, dass BOC mich von der Reise abhielt, aber manchmal fällt mir das schwer. Vielleicht hätte ich etwas gemerkt, eventuell hätte ich es verhindern können.« Nun klang er nicht mehr so nüchtern wie zuvor. Je mehr er erzählte, desto weiter brachen seine Wunden auf und schwächten ihn.
    Lucille schmiegte sich an seinen Rücken, um ihm die Kraft zu schenken, fortzufahren.
    »Im Hafen von La Guaira ging Dad an Bord der Jacht eines Freundes. Nach dem Betanken muss sich wohl Benzindampf in der Maschinenraumbilge gesammelt haben. Als die Crew den Motor startete, explodierte die Bilge, und das Schiff fing Feuer.«
    Entsetzt schlang sie ihre Arme um ihn und hielt ihn ganz fest. Eine Weile schwiegen sie. Als Craig weitersprach, konnte Lucille nicht sagen, ob nur wenige Sekunden oder sogar Minuten vergangen waren.
    »Ich habe die Überreste meines Vaters nach Florida geholt. Da kam BOC auf einmal ohne mich zurecht.« Er schnaubte verächtlich.
    »Du hättest nichts ändern können.«
    »Wahrscheinlich nicht«, gab er zerknirscht zu und stellte das Foto zurück auf die Konsole. Den Flor spannte er so fest zwischen seinen Händen, dass Lucille glaubte, das Band würde jeden Moment zerreißen. »Es war ein nicht vorherzusehender … Unfall.«
    Hörte sie wirklich Zweifel heraus? Eine böse Vorahnung erwachte in ihr.
    Vielleicht hatte Ted Bellamy recht gehabt. So wie Craig es darstellte, hatte sein Dad sich trotz seiner Befürchtungen immer wieder in die Wüste hinausgewagt, bis diese ihn umgebracht hatte. Hatte das Böse einen Namen? Hieß es Dawson, Caruso oder La picadura del escorpión ?
    Auch wenn sie sich auf brüchiges Eis begab, musste sie mehr erfahren und herausfinden, ob ihre Befürchtung stimmte. »Wer war der Freund, dem das Boot gehörte?«
    »Jack.« Craig atmete tief ein und hängte den Flor zurück über die rechte Ecke des Bilderrahmens. »Ich habe ihn das erste Mal getroffen, als er mich nach dem Unglück aufsuchte, um sich für den tödlichen Fehler seines Kapitäns, der seiner Meinung nach die Schuld trug, zu entschuldigen.«
    Sie horchte auf. »Du kanntest ihn vorher gar nicht?«
    »Ich bin ihm nie begegnet.« Kurz ließ er den Kopf hängen, richtete sich wieder auf und fuhr sich durch die Haare. »In letzter Zeit schneite er gleich zweimal kurz hintereinander bei mir herein, wahrscheinlich treibt ihn sein schlechtes Gewissen immer wieder hierhin.«
    Oder er sucht nach mir, schoss es ihr durch den Kopf. Craig schien wirklich nicht zu ahnen, wen er in sein Haus gelassen hatte. Wusste Ted es? Scheinbar nicht, sonst wäre er auf der Hut gewesen, und Caruso hätte keinen Decknamen benutzt. Männer wie Jack Caruso kannten keine Freundschaften. Möglicherweise verband die beiden auch nur eine berufliche Beziehung, denn sonst wäre Craig ihm doch vor dem Tod seines Vaters über den Weg gelaufen.
    »Wurde der Leichnam deines Dads von einem Rechtsmediziner untersucht?« Sie biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich durfte sie sich nicht einmischen, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, dass sie Caruso kannte, doch sie musste Craig durch die Blume warnen.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte er und wandte sich von den Fotos ab und ihr zu. »Es war offiziell ein Unfall. Die Crew hätte die Bilge lüften müssen.«
    Sie

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