Jenseits aller Tabus
hockte, einschlug, denn sie weinte hemmungslos um einen Mann, den sie nie hatte leiden können, den sie sogar insgeheim beschuldigt hatte, von Richard Dawson gekauft worden zu sein.
Nun schämte sich Lucille dafür und vergaß für einen Moment, dass sie sich in Lebensgefahr befand.
37. KAPITEL
Es zerriss Craig innerlich, Lucille inmitten des Kugelhagels zu sehen, zudem weinend. Der Tisch würde dem Beschuss nicht mehr lange standhalten. Bald würde eine Kugel zuerst ein Loch in die Platte und dann in Lucilles Körper reißen. Der Schütze brauchte nur seine Position zu verändern. Er musste sich zwischen dem Bayshore Coffeeshop und dem C&C – Caviar & Champagne , einem angrenzenden Delikatessenladen inklusive Restaurant, verstecken und brauchte nur einen Durchgang weiter, zwischen Feinkostladen und Eisdiele, zu huschen, um einen perfekten Schusswinkel zu bekommen.
Vor Craigs geistigem Auge tauchte Lucilles Leiche neben der von Special Agent McCarthy auf.
Genug gezaudert! Er sprang von Speedy, wie er das kleinste seiner Motorboote nannte, das in Sichtweite zum Café am Eingang des Jachthafens ankerte, und sprintete, ungeachtet der Gefahr, in die er sich begab, geduckt über den Pier in eine Gasse.
Sein schlechtes Gewissen, das ihn quälte, weil er Lucille heimlich gefolgt war, um herauszufinden, ob sie sich mit Jack Caruso oder einem Kontaktmann der La picadura del escorpión traf, verpuffte von einem Augenblick auf den anderen. Nun war er froh über sein Misstrauen ihr gegenüber, froh, dass er Miles, der Lucille mit seinem Boot auf den Kanalstraßen zum Treffen mit dem FBI-Mann gebracht hatte, mit Speedy hinterhergefahren war.
Craig hatte keine Ausbildung in Quantico absolviert und besaß keine praktischen Erfahrungen im Kampf, aber sein Vater hatte ihn wie einen Agenten unterrichtet, und sein Training war knallhart und kompromisslos gewesen. Außerdem trug er, seitdem sich Hernandez als Dawsons Geschäftspartner Caruso entpuppt hatte, seine SIG immer unauffällig in einem Fußknöchelholster bei sich.
Er zog die Schusswaffe heraus und verbarg sie unter seiner Achselhöhle, um die Passanten nicht zu erschrecken. So schnell wie er konnte rannte er hinter den Gebäuden entlang. Als er am Hintereingang des Cafés ankam, wurde er langsamer. Sein Puls allerdings beschleunigte sich. Auf leisen Sohlen näherte er sich dem Durchgang, in dem der Schütze stehen musste. Die Schüsse, die noch immer zu hören waren, trafen direkt in Craigs Seele. Ein Teil von ihm war völlig fertig, aber der weitaus größere behielt die Beherrschung und konzentrierte sich auf seine Aufgabe: Lucille zu retten. Das Risiko bestand, selbst verletzt oder getötet zu werden, aber das interessierte Craig nicht. Es gab Schlimmeres, nämlich Lucille zu verlieren und dabei untätig zugesehen zu haben.
Zorn stieg in ihm auf. Er konnte Craig gefährlich werden, weil er an seiner Selbstkontrolle rüttelte, aber nur wer sich nicht von Gefühlen leiten ließ, behielt die Oberhand.
Plötzlich war es still. Hatte der schießwütige Feigling Lucille erwischt? Oder lud er lediglich seine Waffe nach?
Die SIG im Anschlag, linste Craig in die Gasse zwischen dem Coffeeshop und dem C&C – und schaute in eine Mündung. Sie schwebte nicht unmittelbar vor seiner Nase, sondern zehn Meter von ihm entfernt, aber der Schütze war so schlau, beide Richtungen zu sichern. Ohne zu zögern schoss er auf Craig. Dieser schrak zurück, fluchend, weil er gehofft hatte, den Mann zu überraschen. Mehr als seine blonden Haare hatte er aufgrund der Kürze der Zeit nicht sehen können.
Erneut ertönten Schüsse, der Hall war diesmal lauter. Noch bevor Craig ahnte, dass auf ihn gefeuert wurde, schlugen einige Kugeln in den Asphalt und die Autos ein, die hinter den Geschäften und Restaurants auf einem Parkplatz standen.
Im selben Moment vernahm Craig Schritte, die auf ihn zukamen. Offenbar hatte er den Kerl wenigstens schon mal von Lucille weggelockt. Allerdings war er nun hinter ihm her.
Wie gut, dass die Kevlarwesten im Schutzbunker liegen und verstauben, dachte Craig zähneknirschend und schaute sich um.
Adrenalin pumpte durch seine Adern, als er in das Bayshore Café schlich und sich hinter einen Mauervorsprung hockte, der den Coffeeshop in zwei Bereiche trennte. Mit der SIG zielte er auf den Eingang. Sollte der Blondschopf eintreten, würde er ihm sofort die Waffe aus der Hand schießen und sich auf ihn stürzen, denn er brauchte ihn lebend.
Doch Blondie bog
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