Jenseits aller Tabus
nach rechts ab. Offensichtlich ging er einer Konfrontation aus dem Weg. Er hatte es wohl nur auf Lucille abgesehen, alle anderen schienen ihm egal zu sein.
Pfeilschnell raste Craig aus dem Café und hatte den Mann schon im Visier, um ihm von hinten in die Wade zu schießen, als eine gewichtige Dame aus dem Caviar & Champagne trat, Craig mit der Handfeuerwaffe erblickte und schrie.
Der Sniper suchte Schutz hinter einem Van und schoss. Geistesgegenwärtig stürzte sich Craig auf die Frau und riss sie zu Boden, wodurch etwas in ihrer Papiertüte zu Bruch ging und eine braune Flüssigkeit auslief, die nach Pilzen roch. Mit seinem Körper schützte er sie und erwiderte das Feuer. Glücklicherweise lagen sie halb verdeckt hinter einer riesigen Vase aus Ton und einem Aufsteller, der ihnen wenigstens einen Hauch von Schutz bot. Die Frau unter ihm war weiß wie die Außenwand des C & C.
Fluchend stieß er mit dem Fuß die Tür des Feinkostladens auf. Die kühle Luft der Klimaanlage waberte aus dem klimatisierten Geschäft heraus und legte sich auf seinen Unterschenkel wie eine eiskalte Hand. »Kriechen Sie da rein und bleiben Sie dort!«
Während die Dame schwerfällig zurück in das Delikatessengeschäft robbte und die durchtränkte Papiertüte mit sich zog, sah Craig aus dem Augenwinkel, wie der blonde Mann zwischen dem C & C und der Eisdiele zum Pier lief.
»Scheiße!« Der Kerl wollte zurück zu Lucille. Wahrscheinlich war sein Auftrag noch nicht erledigt. Das ließ Craig hoffen.
Behände stand er auf und sprintete hinter dem Mann her. Dieser stand am Ende der Gasse und zielte bereits, doch im letzten Moment bemerkte er seinen Verfolger und raste weiter. Er hastete den Pier entlang, bog ohne zu zögern in den Hafen ab und sprang vom Landesteg auf einen Cruiser. Mit einem Schuss kappte er die Leine, mit der das Motorboot an der Mole festgebunden war, startete den Motor und lenkte es in Richtung Hafenausgang.
Frech grinste er Craig an, während er am Pier entlangfuhr, um über die Wasserstraße zu flüchten. Seine Handfeuerwaffe hielt er immer noch in der Hand.
»Caruso!«, stieß Craig überrascht aus und blieb stehen. Jack Caruso hatte seine braunen Haare blond gefärbt, deshalb hatte er ihn nicht sofort erkannt. Außerdem war sein Teint blasser als bei ihrem letzten Treffen, und er hatte einige Kilos verloren. Es schien fast so, als machte er eine Metamorphose durch. Plante er unterzutauchen?
Vorher wollte er scheinbar noch eine Zeugin aus dem Weg räumen, denn als er an dem Pierabschnitt vorbeifuhr, auf dem Lucille noch immer mit dem toten McCarthy zwischen den Stühlen und Tischen des Coffeeshops hockte, richtete er seine Waffe auf sie.
»Nein!«, brüllte Craig verzweifelt, denn er war zu weit weg, um auf Caruso zu schießen. Wie von Sinnen lief er auf dem Pier entlang, aber Caruso kam mit seinem Cruiser schneller voran als er zu Fuß.
Plötzlich knallte ein Schuss.
Zuerst glaubte Craig, alles sei verloren, doch dann fiel ihm zu seinem Erstaunen auf, dass Lucille mit beiden Händen eine SIG auf Caruso richtete. Sie zitterte sehr, konnte ihre Arme kaum ruhig halten und hatte Caruso verfehlt. Aber immerhin hatte er seine Waffe gesenkt und war wie zu Eis erstarrt. Mit offenem Mund stand er auf seinem Boot, vergaß sogar, Gas zu geben, und starrte Lucille an, die tief durchatmete und sich sichtlich bemühte, ruhiger zu werden, und nun erneut zielte.
Ohne seine Geschwindigkeit zu drosseln, schwang sich Craig auf einen Stuhl, stieg auf einen Tisch und schließlich auf die Kaimauer, die den Bayshore Coffeeshop von der Hafenausfahrt trennte. Während er absprang, den Blick fest auf den Cruiser geheftet, betete er, nicht im Wasser zu landen und sich somit zum Deppen zu machen und alles zu vermasseln.
Als sein rechter Fuß das Boot berührte, stieß er einen Kampfschrei aus und warf sich, wohlwissend, dass die Geschwindigkeit sein Gewicht verdoppelte, auf Jack Caruso, der ihn zu spät bemerkte, da Lucille und ihre SIG seine Aufmerksamkeit forderten. Caruso knallte der Länge nach hin. Stöhnend hielt er sich den Rücken und schaute verdattert zu seinem Angreifer hoch.
Craig verpasste ihm mit einer Genugtuung, von der niemand erfahren durfte, mit der flachen Hand einen schnellen, festen Schlag auf die Stirn, wodurch Carusos Hinterkopf hart auf den Schiffsboden aufschlug und er das Bewusstsein verlor. »Das war dafür, dass du mir meine Frau nehmen wolltest!«
38. KAPITEL
»Das war nicht meine erste Leiche.«
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