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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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Schifffahrtsgesellschaft von Beruf Sohn gewesen, und das Geld seiner Familie hatte es ihm ermöglicht, seine Verschrobenheit zu kultivieren.
    Craig zog einen Stuhl vom Tisch weg. »Nehmen Sie Platz, Kirby. Da Sie Hunger haben und Michelle nichts essen möchte, ist es naheliegend, wenn Sie mir Gesellschaft leisten.«
    Aufbrausend schnappte Michelle nach Luft. »Ich werde lediglich die Clotted Cream nicht anrühren. Mehr habe ich nicht gesagt.«
    Sie stapfte auf ihren Stöckelschuhen um die Tafel herum, drängte Lucille beiseite und setzte sich. Betont langsam nahm sie ein Scone und biss hinein. Genüsslich kauend schaute sie zu Craig auf und klopfte dann auf die Lehne des Stuhls, der vor seinem Gedeck stand.
    Er zögerte, setzte sich aber schließlich. »Sie können gehen und mit den anderen zu Abend essen, Kirby. Wir brauchen Sie nicht mehr.«
    Natürlich nicht. Er hatte seinen Spaß mit ihr gehabt. Sie war eine willkommene Abwechslung in der Besprechung mit Ms Dearing gewesen, mehr nicht. Jetzt wollte er wieder seine Ruhe haben und die Zweisamkeit mit seiner Freundin genießen.
    Über ihre Schulter hinweg sandte Michelle ihr böse Blicke zu, als würde sie ihr die Schuld daran geben, dass sie sich nun mit Kalorien vollstopfen musste.
    Lucille biss die Zähne zusammen und verließ den Raum, wobei sie versuchte, würdevoll die Bühne zu verlassen, obwohl sie eigentlich am liebsten gerannt wäre. Sie kam sich vor wie ein Pausenclown. Bellamy hatte nur ein wenig mit ihr spielen wollen. Beim nächsten Mal würde sie nicht auf seine Herausforderungen eingehen und ihn stattdessen kalt abblitzen lassen. Und besonders in Ms Dearings Anwesenheit würde sie sich vorsehen, denn Lucille ahnte, dass Michelles Interesse sich nicht auf eine neue Inneneinrichtung für Bellamy beschränkte. Die Geschäftsfrau stellte bestimmt Besitzansprüche. War es da nicht naheliegend, dass ihre Freundschaft zu Craig nicht rein platonischer Art war?
    Tief enttäuscht über diese Erkenntnis kehrte Lucille in die Küche zurück. Dort fand sie ausgerechnet Madison vor, die gerade einen Granatapfel aus dem Kühlschrank von Mr Bellamy nahm und sich nicht im Mindesten ertappt fühlte – als wäre es das Natürlichste der Welt, als hätte sie sogar seine Erlaubnis dazu, denn eigentlich gab es einen separaten für das Personal.
    Provozierend roch sie an der Frucht und schlenderte an Lucille vorbei. Beim Vorübergehen zischte sie: »Bilde dir ja nicht ein, du würdest mit deinen Haaren wie Arielle, die Meerjungfrau, aussehen. Mich erinnerst du eher an Carrie, die von dieser furchtbaren Sissy Spacek gespielt wurde und ein Monster war. Craig steht nicht auf …«
    Plötzlich schnellte Lucilles Hand hervor. Sie packte Madisons Arm und hielt sie fest. Zurückhaltung hin oder her, das FBI war ihr in diesem Moment völlig egal. Unauffällig zu leben bedeutete keinesfalls, sich demütigen zu lassen.
    »Da du ja so auf Filme stehst …«, begann Lucille mit bedrohlich klingender Stimme. »Du scheinst zu vergessen, dass du kein Aristocat bist, sondern nur für eins arbeitest.«
    Sie riss Mad den Granatapfel aus der Hand und brachte ihn zum Kühlschrank zurück. Ihr ging es nicht um das Obst, sondern darum, klarzustellen, dass sie sich nicht würde fertigmachen lassen.
    Während sie die Frucht zurücklegte, fragte sie sich, welche Beziehung Mad zu Mr Bellamy hatte. Rechnete sie sich Chancen bei ihm aus, oder nahm sie die Rolle einer heimlichen Mätresse ein? Immerhin bediente sie sich ganz selbstverständlich an seinen persönlichen Lebensmitteln und nannte ihn bei seinem Vornamen. Bitte nicht. Vielleicht war das alles aber auch nur Schall und Rauch und reine Unverschämtheit eines Dienstmädchens, das seine Nase höher trug als der Hausherr.
    Dabei stellte Lucille gar keine Konkurrenz dar. Sie würde nur ihre Zeit in diesem Haushalt absitzen und so bald wie möglich wieder verschwinden. Für Privilegien würde sie sich keinesfalls ausziehen! Oh Gott, hatte Craig wirklich eine Affäre mit Madison?
    Als Lucille sich umdrehte, um ihr auf den Zahn zu fühlen, war Mad längst verschwunden.

5. KAPITEL
     
    Die Versuchung gönnte Lucille eine Pause.
    Als sie am nächsten Tag ihren Dienst – Patrick hatte sie bis auf Weiteres in die Spätschicht eingeteilt, vermutlich ging er davon aus, sie würde dort weniger auffallen – um drei Uhr nachmittags antrat, arbeitete der Hausherr in der Reederei. Lucille war erleichtert, lief sie somit nicht Gefahr, seinem eigenwilligen

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