Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
»Jetzt, wo er frei ist, bekommt er Lust, Rache zu nehmen. Ich habe schon manchmal seinen Blick auf mir und meiner Tochter gespürt. Und schon bei einem Blick aus diesen schwarzen Augen erstarrt mir das Blut zu Eis.«
    »Das ist doch lächerlich«, protestierte Lydia laut, doch in dem lauten Stimmengewirr der Umstehenden hörte sie niemand.
    Moses blickte gehetzt in die Runde. Er hatte sein ganzes Leben im Schutz der Familie Hill verbracht, doch er wusste genug von verbohrten Südstaatlern, die befreite Neger terrorisierten. Er hatte schon miterlebt, wie eine wilde Menge, durch übereifrige Vermutungen aufgestachelt, Schwarze gelyncht hatte - und dabei ging es um geringere Vergehen als den Mord an einem weißen Jungen.
    »Mein Vorschlag lautet, wir sollten ihn fesseln und ihm selbst den Proze ss machen«, kreischte Leona. »Wer weiß, wann dieser Sheriff kommt. Inzwischen geht es womöglich noch anderen an den Kragen. Wollt ihr ihn frei herumlaufen lassen, solange Eure Kinder in der Nähe sind?« fragte sie Mrs. Cox, die neben ihr stand.
    »Wartet!« befahl Mr. Grayson mit erhobenen Händen. Alle hatten genug Respekt vor ihm, um in ihrem finsteren Vorrücken gegen Moses innezuhalten. »Wir haben noch nicht gehört, was Moses dazu sagt. Warst du gestern im Wald?«
    »Ja, Sir. Ich habe Heilkräuter für Mr. Hill gesammelt.«
    Lydia hatte Winston erst am Morgen besucht. Es schien ihm besserzugehen. Sie hoffte nur, dass er aus seinem Bett im Wagen hören konnte, was man seinem Freund und Diener vorwarf.
    »Hast du Luke Langston gesehen?«
    »Nein, Sir. Erst als ich ihn fand, so wie ich ihn gebracht habe.«
    »Lügen«, zeterte Mrs. Watkins. »Wollt ihr ihm etwa Glauben schenken? Wahrscheinlich hat er Giftkräuter gesammelt, um Mr. Hill damit zu töten. Ich sage euch, ich habe ihn herumschleichen sehen, als wenn er gerade dabei wäre, sich an irgend jemanden Ahnungslosen anzuschleichen. Jesse, hol das Seil.« Der Mann eilte folgsam davon, und ein paar andere stürzten auf den Schwarzen zu.
    Dann geschah alles gleichzeitig. Lydia sah sich hastig um und schob Lee Mrs. Green in die Arme. »Das könnt Ihr nicht zulassen«, rief sie Mr. Grayson zu.
    Er war überwältigt, die sonst so zivilisierten Leute des Wagenzuges so barbarisch reagieren zu sehen, und stand nur hilflos da. Moses, dem die zornigen Männer auf den Leib rückten, geriet in Panik, drehte sich um und rannte los.
    »Er haut ab!« riefen etliche.
    »Haltet ihn!«
    »Nein, Moses, nein!« schrie Lydia und lief hinter ihm her, weil sie wusste , dass seine Flucht von diesen Verrücktgewordenen als Zugeständnis seiner Schuld gewertet werden würde.
    »Halt ihn auf, Jesse. Hol das Gewehr!« brüllte Leona zu ihrem Mann gewandt.
    In diesem Moment sprang Ross’ Pferd wie ein schwarzer Pfeil zwischen zwei Wagen hindurch mitten unter die Leute. Im gleichen Augenblick hatte Ross Lucky auch schon gewendet und so gestellt, dass Lydia und Moses von den anderen getrennt waren. Ross hatte den Lauf seiner Flinte in die Menge gerichtet und die Pistole auf Jesse Watkins, der soeben den Befehl seiner Frau auszuführen gedachte. Alle erstarrten vor Überraschung und Schreck gleichermaßen. Und wen jetzt Ross’ Blick traf, der bekam es mit der puren, beißenden Angst zu tun.
    »Ich würde das lassen an eurer Stelle.« Sonst sagte er nichts. Und obwohl er diese Worte eher geflüstert hatte, ließ Watkins das Gewehr los, als versenge es seine Hände. »Und alle bleiben auf der Stelle stehen, bis ich erfahren habe, was zum Teufel hier eigentlich los ist.«
    »Das würde ich auch gern wissen«, ließ Ma sich vernehmen. Angesichts der Unruhe waren die Langstons zum Lager zurückgekehrt. Ma registrierte erleichtert, dass Bubba zumindest nichts damit zu tun hatte. Der Junge war außer sich, und sein Verhalten schien auf mehr als nur Kummer zu deuten.
    Die Treckteilnehmer standen verblüfft da. Sie hatten Ross Coleman alle als Mann kennengelernt, der sich nicht in die Sachen anderer Leute einmischte, anderen spontan half, versuchte, mit seinem Schicksal zurechtzukommen und niemandem ungefragt Ratschläge erteilte. Er lachte gern mal über einen Witz, ohne mit irgendwem allzu vertraulich zu sein. Zwar war er nicht so leutselig wie andere, sah aber besser aus als die meisten, hielt Distanz und arbeitete hart.
    Doch jetzt sahen sie eine Seite, die sie an ihm noch nicht kannten. Die tödliche Ruhe seiner Stimme hätte eine Lawine zum Stillstand gebracht. Keiner bewegte sich, aus Angst, er

Weitere Kostenlose Bücher