Jenseits aller Vernunft
war der bestaussehende Mann, den sie je gekannt hatte. Sein Haar glänzte feucht, und er hatte sich frisch rasiert. Das leichte Zwinkern in seinem Blick und sein weiches Lächeln bewiesen ihr, dass alles in Ordnung war. Er schien ihr ihr unschickliches Verhalten der vergangenen Nacht nicht übelzunehmen. Erst jetzt war sie sicher, dass sie sich verhalten hatte, wie es sich für Frauen mit ihren Männern gehörte. Sie hatte Ross’ Erwartungen entsprochen und fühlte sich ungemein erleichtert.
»Guten Morgen.« Am liebsten wäre sie um ihn herumgetanzt.
»Für mich?« Er deutete auf den Kaffee.
Wortlos hielt sie ihm die Tasse hin und lächelte so strahlend wie die Sonne. Mit einer Hand nahm er die Tasse, legte jedoch gleichzeitig die andere in ihren Nacken und zog sie an sich, um sie zu küssen.
Er küsste sie immer noch, als Ma Langston ein paar Minuten später kam, um die Milch für Lee zu bringen. Sie sah ihnen kurz zu, beglückt wie eine stolze Glucke, und räusperte sich dann laut.
»Wieder eine falsche Spur«, sagte Howard Majors und hängte seinen Hut an den Haken in seinem Hotelzimmer in Baltimore.
»Ihr hört Euch ja beinah enttäuscht an, dass das Mädchen im Leichenschauhaus nicht meine Tochter war, Majors. Tut mir leid, dass ich Eure Zeit verplempert habe.«
»Zum Donnerwetter«, murmelte Majors voller Abscheu vor sich hin und tat etwas, das er sonst vormittags nur selten tat: Er genehmigte sich einen Drink.
Vance Gentry begann nachgerade eine Landplage zu werden. Mitgefühl mit dem jungen Paar, das sich heimlich davongestohlen hatte, regte sich in Majors. Vielleicht hatte Sonny Clark seine Frau doch nicht entführt oder sie gezwungen, ihm den Schmuck auszuhändigen. Vielleicht war sie ganz froh gewesen, aus dem Machtbereich dieses Tyrannen befreit zu sein.
Während der Reisewoche nach Baltimore war Gentry reizbar gewesen, was Majors hatte verstehen können. Schließlich stand zu befürchten, dass die genannte Tote seine Tochter war. Majors hatte die ganze Zeit daran gezweifelt, auch wenn die Beschreibungen auf die beiden Gesuchten ungefähr pa ss ten.
Der Mord sah nicht so aus, als hätte Clark ihn begangen. Er konnte blitzschnell mit einer Waffe umgehen und wurde gewalttätig, wenn man ihn in die Enge trieb. Furcht kannte er nicht, aber ein rücksichtsloser Killer war er nie gewesen, erst recht keiner, der eine Frau noch mit dem Messer bearbeitete, wenn sie schon tot war. Das pa ss te überhaupt nicht zu Clarks sauberen, spontanen Wutausbrüchen.
Majors hatte sich mit Gentrys kriegerischem Ton abgefunden, weil ihm nichts anderes übrigblieb. Jetzt reichte es ihm. »Es war keine Zeitverschwendung, Mr. Gentry«, sagte er diplomatischer, als der Mann es verdiente.
»Nein, nur Geldverschwendung. Mein Geld!«
»Jetzt wissen wir wenigstens, dass Eure Tochter womöglich noch lebt.«
»Also, wo ist sie dann, zum Teufel?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ihr wisst es nicht.« Gentrys weißes Haar stand zu Berge vor Zorn, als er sich heftig zu dem Detektiv umdrehte. »Verdammt, Mann, was glaubt Ihr, wofür ich Euch bezahle? Ich bezahle Euch dafür, meine Tochter ausfindig zu machen und ihren Halunken von Ehemann dazu.«
Majors zählte langsam bis zehn und erinnerte sich daran, dass er sich nach diesem Fall zur Ruhe setzen würde. »Ihr könnt mich jederzeit entlassen, Mr. Gentry. Ich werde trotzdem weiter nach Sonny Clark suchen, jetzt wo ich weiß, dass er noch am Leben ist. Er wird in fünf Mordfällen gesucht und in mehreren Staaten wegen Bankraubs. Die Liste seiner Verbrechen ist so lang wie mein Arm. Und obwohl er seit ein paar Jahren nicht mehr mit den James-Brüdern gesehen wurde, kann er uns vielleicht helfen, sie zu finden. Also, soll ich für Euch arbeiten oder nicht?«
Gentry schaukelte hin und her, immer noch grollend, aber ruhiger. Sein Ärger galt eher der Situation als dem Detektiv persönlich. Er hasst e es, die Lage nicht unter Kontrolle zu haben, wusste aber, dass Majors viele Informanten besaß, deren Effektivität er allein nie erreichen würde. »Es ist ja nicht gleich eine Trennung vonnöten.«
»In dem Fall bitte ich Euch höflich und als Gentleman, mich nicht weiter mit derartigen Bemerkungen zu beleidigen. Natürlich war ich froh zu sehen, dass die Leiche nicht Eure Tochter war.« Er kippte noch einen Drink hinunter und reichte schweigend Gentry die Flasche, womit er andeutete, dass sein Auftraggeber sich gut und gern allein einschenken könne.
Gentry ließ sich den
Weitere Kostenlose Bücher