Jenseits aller Vernunft
Lockenfächer.
Keinesfalls wollte er sich von ihr erwischen lassen, wie er dastand und sie anstarrte, wenn sie erwachte. Aber wenn er zum Jagen ging, brauchte er Munition. Also schlug er auf der Suche danach ungewöhnlich viel Lärm, obwohl er genau wusste , wo die Schachtel mit den Kugeln lag. Ein paar schüttete er sich in die Hand und steckte sie in seine Hemdtasche.
Als er sich wieder umdrehte, starrte sie ihn an. Sie lag bewegungslos und ganz still, was ihn ziemlich verwirrte. Es war so, als wäre er bei ihr hereingeplatzt und nicht umgekehrt. Verdrossen zerrte er ein Halstuch aus seiner Truhe und band es sich um. Warum sagte sie nichts? Am letzten Abend hatte sie auch nicht viel gesagt. Vielleicht war sie einfach dumm.
Als er ihren eindringlichen, stummen Blick nicht mehr ertragen konnte, fragte er gereizt: »Möchtet Ihr Kaffee?«
Sie nickte, und die Locken um ihr Gesicht bewegten sich. »Ja.«
Er nahm es sich übel, dass er sie gefragt hatte und stampfte wieder aus dem Wagen. Alles andere hatte er vor, als freundlich zu sein oder gar sie zu bedienen wie ein verdammter Butler! Ungeduldig hob er die Kaffeekanne und go ss mit einem Schwapp das Getränk in einen Becher. Ein paar heiße Tropfen spritzten auf seine Hand und lieferten ihm einen guten Grund, ausgiebig zu fluchen. Das erleichterte ihn. Er hatte sich immer die größte Mühe gegeben, nicht zu fluchen, seit Victoria Gentry ihn zum ersten Mal im Stall ihres Vaters angesehen hatte.
Er nahm sich zusammen und brachte ihr den Becher in den Wagen.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Vielleicht solltet Ihr Lee solange nehmen. Ich habe Angst, dass etwas von dem heißen Kaffee auf ihn tropft.«
Ross sah zuerst den dampfenden Becher an, dann den Säugling, dann das Mädchen im Bett. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie so gehemmt und hilflos gefühlt, außer vielleicht damals, als er zum ersten Mal mit Victoria und ihrem Vater in ihrem eleganten E ss zimmer zu Abend speiste. Doch selbst damals hatte er nicht das Gefühl gehabt, als wären plötzlich seine Arme zu lang und seine Hände viel zu groß.
Mit gemurmelten Flüchen stellte er den Becher zur Seite und beugte sich, auf ein Knie gestützt, hinunter, um seinen Sohn in Empfang zu nehmen. Mitten in der Bewegung hielt er inne und sah mit ausgestreckten Händen das schlafende Baby an. Er konnte Lee unmöglich umfassen, ohne sie dabei zu berühren.
Sie schien das im selben Augenblick zu begreifen, denn ihr Blick hob sich und traf auf seinen. Sie versuchte, ein Stückchen von dem Kind wegzurücken, aber sein kleiner Körper blieb eng an den ihren geschmiegt und rollte mit.
Verdammt noch mal! Würde das etwa so weitergehen? Würde er sich von ihr in seinem eigenen Zuhause so aus dem Konzept bringen lassen? Ross schob seine Hände vor. Eine legte sich unter den Rücken des Babys. Die andere drängte er zwischen sie und Lees kleinen Kopf. Seine Knöchel sanken in die füllige Weiche ihrer Brust. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, und er hob hastig das Kind und drehte sich um.
»Wartet!« rief sie leise. In seiner Hast hatte Ross mit Lees Decke zusammen auch den Stoff ihres Nachthemds erwischt, das jetzt straff über ihrem Oberkörper gespannt war und die großen, dunklen Brustwarzen deutlich erkennen ließ. Ross stand da wie angewurzelt.
Sie zupfte an ihrem Nachthemd und befreite es aus seinen Fingern, deren Griff fest blieb, um Lee nicht zu gefährden. Als die Situation endlich gelöst war, ließ sich Ross auf einen seiner Hocker sinken. Genaugenommen ging es auch gar nicht anders, denn er zitterte so sehr, dass er sowieso in die Knie gegangen wäre.
»Beeilt Euch mit dem Kaffee«, murmelte er unwirsch und ohne sie anzusehen, während sie sich aufsetzte.
Lydia zuckte leicht zusammen, weil die Wunde zwischen ihren Beinen sich dehnte und schmerzte, doch diese Unannehmlichkeit verringerte sich jeden Tag. Heute morgen hatte sie wohl auch kein Fieber mehr. Dankbar griff sie nach dem Kaffeebecher, den Mr. Coleman neben ihr Bett gestellt hatte, und nippte daran.
Sie betrachtete den Mann über den Rand des Bechers hinweg. Er sah auf seinen schlafenden Sohn hinab, und sein rauhes Gesicht wurde weich. »Er hat die ganze Nacht geschlafen«, sagte sie ruhig.
»Ich habe ihn auch bis heute morgen nicht gehört.«
»Er war richtig hungrig, als er aufwachte.« Ihre Stimme klang übermütig, und er hob den Kopf, um sie anzusehen. Skeptisch musterten sie einander, wandten die Blicke bald
Weitere Kostenlose Bücher