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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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es bestimmt nie aussehen.
    Mr. Coleman zeigte sich überrascht, als er sie, um sich ein frisches Hemd zu holen, am Abend gekämmt und gewaschen vorfand, sagte aber nichts. Wie üblich hatte er nur geknurrt.
    Wenn er an Haar gewöhnt war, das seidigen Maisgrannen ähnelte, konnte Lydia verstehen, dass ihre Locken ihn abstießen. Unvernünftigerweise machte ihr das etwas aus.
    »Werdet Ihr müde?« fragte Anabeth, als sie bemerkte, dass die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörerin nachließ. »Ma hat gesagt, ich soll den Mund halten, wenn Ihr müde werdet und schlafen wollt.«
    Lydia lachte. Sie mochte alle Langstons, aber diese offene, erfrischende Rübe konnte sie besonders gut leiden. »Nein. Ich bin nicht müde. In den letzten Tagen habe ich so viel geschlafen, dass es eigentlich für den Rest meines Lebens reichen mü ss te. Aber Lee wird bald wach, und dann hat er bestimmt Hunger wie ein Bär.«
    Sie griff in die Kiste, die sie anstatt einer Wiege benutzten, und tätschelte den Rücken des Säuglings. Es verwunderte sie immer wieder, wie sehr sie das Baby liebte. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte Lydia Zweifel gehabt, ob sie überhaupt noch mal einen Menschen lieben könnte. Vielleicht liebte sie den Kleinen, weil er völlig von ihr abhängig war und ihr nichts zuleide tun konnte. Und er würde sie dafür ebenso lieben.
    Die Wagen hielten an, als Lee gerade mit seiner Mahlzeit fertig war. Lydia knöpfte sich das Nachthemd zu, während Bubba die müden Pferde führte und sie die schützende Wagenburg zusammenstellten. Kaum hatte er sie abgeschirrt, da stieg Ma schon in den Wagen.
    »Wie würde es Euch gefallen, mal hier rauszukommen?« fragte sie Lydia.

4
     
    »Ihr meint aufstehen und den Wagen verlassen?« fragte Lydia beunruhigt. Die einzigen Teilnehmer des Trecks, die sie kannte, waren Mr. Grayson und Mrs. Watkins. Und sie verspürte nicht die geringste Lust auf die strenge Begutachtung der anderen.
    »Fühlt Ihr Euch noch nicht danach?«
    »Doch, doch«, antwortete Lydia vorsichtig. »Aber ich habe nichts zum Anziehen.«
    »Ich hab’ was mitgebracht«, sagte Ma und warf ihr ein Bündel zu. »Sie gehören Anabeth und passen bestimmt nicht ganz, aber sie werden’s wohl tun müssen, wenn Ihr nicht pausenlos im Nachthemd rumlaufen wollt.«
    Lydia stand noch etwas wackelig auf den Beinen: Ma wusch sie an einer Schüssel, zog ihr ein Paar säuberlich geflickte Strümpfe, Schlüpfer und einen Unterrock an. »So mager, wir Ihr seid, frag’ ich mich wirklich, wie da ein Baby reinpassen konnte«, sagte Ma kopfschüttelnd und betrachtete Lydias schlanke Hüften und Schenkel.
    Auf ihre Brüste traf das allerdings nicht zu. Das Oberteil des Kleides bekam sie beim besten Willen nicht zu. »Verflixt«, schimpfte Ma. »Also machen wir’s eben so weit zu, wie es geht.« Lydia hatte das Gefühl, als sprenge der nächste Atemzug das Kleid, aber zumindest bedeckte es sie einigermaßen.
    Luke hatte ihre Schuhe mit schwarzer Stiefelwichse eingefettet und neue Schnürsenkel eingezogen. Sie setzte sich auf einen Hocker, um sie anzuziehen, während Anabeth ihr die Haare bürstete.
    »Jetzt seid Ihr richtig hübsch«, meinte Ma stolz und verschränkte die Arme über dem Bauch. »Mr. Coleman hat mir heute Geflügel von der Jagd mitgebracht, das habe ich über Eurem Feuer als Eintopf aufgesetzt. Bestimmt freut er sich, wenn er nach Hause kommt und hier ein gutes Essen auf ihn wartet. Er kümmert sich jetzt um seine Pferde, also könntet Ihr doch einfach Lees Bettchen ans hintere Wagenende stellen und Euch ein Weilchen nach draußen setzen. Die frische Luft wird Euch guttun.«
    Schüchtern verließ Lydia ihren Unterschlupf. Sie konnte kaum glauben, was draußen alles los war. Zu jedem der Geräusche, die sie seit einer Woche hörte, pa ss te irgendeine Tätigkeit. Frauen waren über tragbare Ofen gebeugt und kochten das Abendessen, Männer striegelten die Pferde, holten Brennholz und Wasser, Kinder liefen munter zwischen den Wagen he ru m.
    »Da kommt Luke und bringt Euch frisches Wasser.« Bei Ma war immer alles gut organisiert. »Ihr könntet ja einen Topf Kaffee kochen, Mr. Coleman würde das sicher gefallen.«
    »Ja, das mache ich«, stimmte Lydia ihr zu. Sie war froh, wenn sie etwas zu tun bekam. Die Leute fingen schon an, sich nach ihr umzudrehen. Sie bemerkte, wie sie sich gegenseitig anstießen, neugierig herübersahen, sich flüsternd unterhielten.
    »Ich muss mich jetzt ums Abendessen kümmern, kann aber jederzeit herüberkommen,

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