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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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einzigen Tankstelle weit und breit, die er bereits bei seiner ersten Fahrt erfasst hatte, stauten sich Lkws über Lkws. Als ob das Tanken in Kürze verboten würde oder es kein Benzin mehr gäbe, standen die schweren Laster in Viererreihen an den Säulen in Kolonnen, die zweihundert Meter lang waren. Hohe Bogenlampen beleuchteten den Platz. Im Kassenraum war das Gedränge groß.
    »Kennen Sie diesen Mann?«, fragte er die Kassiererin an Kasse drei. Er hielt ihr das Phantombild vor die Nase. »Haben Sie ihn in letzter Zeit einmal gesehen?«
    Die junge Frau in einem schicken blauen Overall mit gelben Zierstreifen wirkte verschreckt. Als würde ihr gerade Falschgeld angeboten. »Na, den kenn i ned«, sagte sie unwirsch. »Warum?«
    »Mein Schwager«, sagte Ottakring. Kleiner Schlingel, lobte er sich. Als Deutscher durfte er im Ausland nicht aktiv ermitteln. »Wir vermissen ihn seit zwei Tagen. Ich versuche herauszufinden, wo er sich rumtreibt.«
    »Ah so.« Ihre Miene hellte auf.
    »Kann ich Ihre Kollegin auch kurz fragen? Vielleicht hat sie ja –«
    »Du, der da mog di wos fragen.«
    Auch die Kollegin hatte den Schwager noch nie gesehen. Doch da war noch die Dritte. Die von Kasse vier. Und von ihr erhielt Ottakring den entscheidenden Tipp.
    »Ist ihr Schwager Fernfahrer?«, fragte sie ihn.
    Ottakring nickte heftig.
    »Dann fragen Sie doch mal bei der RoLa nach«, sagte sie.
    »RoLa?«
    »Rollende Landstraße. Lkws, die mit der Bahn befördert werden. Das einzig Wahre. Das hier –«, sie ließ Kopf und Augen kreisen, »ist doch der reinste Wahnsinn.«
    Ottakring steckte das Fahndungsbild wieder ein, bedankte sich und lenkte den Porsche in die Richtung, welche die Frau beschrieben hatte. Die RoLa. Seine kriminalistische Neugierde war geweckt.
    * * *
    Eine absolut unwirkliche Situation. Trotz seiner Hände an ihrem Hals registrierte Roswitha die Zeit. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte neun Minuten nach Mitternacht. Sie bekam einen Hustenanfall. Der Griff lockerte sich etwas. Roswitha konnte wieder atmen.
    »Hören Sie. Seien Sie nicht sauer. Ich muss Ihnen was erzählen«, sagte sie hastig.
    Gollek schien sich etwas beruhigt zu haben. Lauernd sah er nach draußen. Alles war ruhig. Es war finster. Nur die Lichter der fernen Straße nach Schloßberg verirrten sich ab und zu, ohne zu stören.
    »Meine kleine Schwester«, keuchte Roswitha mit kehliger Stimme, im Sprechen lauter Lügen erfindend. »Sie ist krank. Sie muss vielleicht sterben. Ohne mich und meine Hilfe wird sie bestimmt sterben.«
    Sein Griff lockerte sich weiter. Doch die Hände blieben an ihrem Hals. Hoffentlich besudelt er mein Top nicht mit seinem Scheiß-Blut, dachte sie angewidert.
    »Wissen Sie, mein Papa ist tot. Er ist durch einen Unfall ums Leben gekommen, und Mama muss arbeiten, um meine Schwester und mich durchzufüttern. Ganztags arbeiten. Und ich muss mich um mein Schwesterchen kümmern.«
    Durch einen Schlitz zwischen ihren Fingern linste Roswitha zu dem Mann hin, um zu sehen, ob ihre Worte Eindruck auf ihn machten. Das taten sie offensichtlich, denn seine Hände lösten sich von ihrem Hals. Anscheinend wusste er nicht, wohin damit, denn er hielt beide Arme wie ein Spasti senkrecht vor seinem Körper.
    »Wie heißt du?«, fragte er. Sein Ton war bestimmt, doch lange nicht mehr so energisch wie vorhin.
    Sollte sie es ihm verraten? Ihren hässlichen Namen? Eigentlich war es egal. Doch wo sie schon einmal dabei war …
    »Ich heiße Clara«, log Roswitha. Clara hieß ihre beste Freundin. Ein Name, den Roswitha gern getragen hätte.
    »Und wie alt bist du?«
    »Zwölf«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
    »Und was fehlt deiner Schwester?«
    Roswitha versuchte zu weinen. Es gelang nur leidlich. Deshalb schlug sie die Hände vors Gesicht und wiegte mit dem Oberkörper vor und zurück. »Sie hat eine seltene Art von Blutkrebs«, erklärte sie schniefend. Etwas anderes fiel ihr noch ein. Eine Mitschülerin hatte diesen Defekt. »Und sie hat nur mehr eine Niere. Dadurch verträgt sie die Medikamente sehr schlecht. Ohne mich wäre meine Schwester total aufgeschmissen. Mama kann ihr nicht helfen. Die muss arbeiten und Geld verdienen.«
    Entweder er brachte sie jetzt um, oder er ließ sie laufen. Diese Wahl stand ihr – ein Kind, wie sie war – klar vor Augen. Zu gern hätte sie gewusst, was in seinem Kopf vorging.
    * * *
    Vor einer Schranke, die in einem Kurvenstück lag, parkte Ottakring das Auto auf dem Seitenstreifen. Anschließend bückte

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