Jenseits der Alpen - Kriminalroman
sah er Waller.
Er hätte Erwin Waller für einen zufriedenen Bischof halten können, so wie er dastand. Rosiges Gesicht, Goldrandbrille, Hände über dem Bäuchlein gefaltet. Für einen Bischof, wäre nicht die Frau an seiner Seite gewesen.
Diese Frau kam Ottrakring irgendwie bekannt vor. Sie war etwas größer als Waller, gut geformt und erinnerte ihn, ob er wollte oder nicht, an ein Veilchen. Ihr rechter Arm ruhte auf Wallers Schulter.
»Darf ich dir meine Verlobte vorstellen«, sagte Waller mit glänzenden Augen. »Mariedda. Du kennst sie aus meinen Berichten.«
Hinter den frisch Verlobten sprudelte ein Brunnen. In dem Brunnen schwammen zwei goldköpfige Enten. Von einer Sekunde auf die andere planschten die beiden Vögel so heftig im Wasser, dass es Ottakrings Schuhe bespritzte. Sie kämpften wild um ein Stück Breze. Schnabel an Schnabel rissen sie das Stückchen hin und her, kreischend und mit den Flügeln schlagend. Als einer von ihnen es hinunterwürgte, war der Kampf vorüber. Die beiden Goldköpfe hatten sich beruhigt und trieben wieder friedlich nebeneinander auf dem Wasser.
»Ach, da bist du ja.«
Ein weicher Arm schlang sich von hinten um seinen Nacken.
Bereitwillig schmiegte sich Ottakring in die Umarmung. Er nahm Abschied von dem Entenpaar, legte den Arm um Lolas Hüfte und marschierte mit ihr langsam die Straße hinunter.
Obwohl eine spätwinterliche Kälte das Rosenheimer Land überzogen hatte, brauchten Lola Herrenhaus und Joe Ottakring in dieser Nacht keine Decke.
Hannsdieter Loy
SAKRAMENTISCH!
Oberbayern Krimi
ISBN 978-3-86358-178-7
Leseprobe zu Hannsdieter Loy,
SAKRAMENTISCH!
:
EINS
Ihnen gleich zu Beginn offenlegen zu müssen, liebe
Leserinnen und Leser, dass dieses Buch kein ausgesprochen fröhliches ist, fällt
mir schwer. Ich persönlich lese vorzugsweise nur Bücher und gehe nur in Filme,
die mich erheitern. Die mich in gute Stimmung versetzen. Mich aus einem Tief
holen. Man hat eh schon genug Unfröhliches im Leben zu erleben. Oder?
Deshalb muss ich Sie fairerweise warnen. Legen Sie das Buch gleich
wieder aus der Hand, wenn Sie denselben Antrieb haben, sich über ein Buch
herzumachen, wie ich. Ich will ja nicht übertreiben. Doch ich habe hier einen
Roman mit verlotterten, grässlich unmoralischen Figuren geschrieben. Mir
gefällt er. Das ist mein Job. Doch Sie so richtig aus der Krise holen oder
Ihren Lebensmut stärken wird er nicht. Schon allein der Titel! Sakramentisch!
Kein sonniger Titel, nicht? Gehen Sie also bitte in die Buchhandlung oder in
die Bücherei, geben das Buch zurück und holen sich ein anderes. Ehrlich, tun
Sie es! Vierzehn Tage, glaube ich, ist die Umtauschfrist.
Freilich, auch dieses Buch gilt marketingtechnisch als
Regionalkrimi. Deshalb haben Sie wohl auch zugegriffen. Das hat den
vergnüglichen Vorteil, dass Sie sich in Ihrer Umgebung wiederfinden, Sie können
sich damit identifizieren. Mit den Dörfern, den Sträßchen, den Buslinien, den
Kirchtürmen, der typischen Bevölkerung und dem typischen Wetter. Lokalkolorit
macht Spaß, höre ich immer wieder. Für mich und meine Recherchen heißt dies,
dass sich die Verdächtigen im Umkreis aufhalten, die Zahl der Dienstreisen ist
überschaubar, und Sie schonen deshalb mit dem Erwerb dieses Buches meinen
Geldbeutel. Trotzdem. Sollten Sie aus dieser Motivation heraus das Buch aus dem
Regal genommen haben, dann empfehle ich Ihnen, es wieder zurückzustellen oder -zulegen
und eines der hundert Millionen anderen mit nach Hause zu nehmen, die es im
deutschsprachigen Raum gibt. Eines über die Allgäu-Kluftingers, eines der
Alpen-Förgs, der Berndorfs, wenn Sie aus der Eifel stammen. Eins der drei oder
vier komischen mit dem Kommissar Jennerwein oder womöglich die neue Masche,
Schneewittchen oder Winterkartoffelknödel. Vielleicht ziehen Sie auch den
stillen, traurigen Kommissar Süden meines syndikatischen Freundes Friedrich Ani
vor.
Doch selbst die Geschichten um den ewig bekümmerten Süden von der
Vermisstenstelle München sind aufmunternder und erfrischender als dieses Buch.
Woran das liegen mag? Nun, ich habe den Text geschrieben. Ich muss es wissen.
Es liegt sicher daran, dass sich im Leben des Hauptdarstellers wenig
Erfreuliches zugetragen hat. Bisher schon nicht und zukünftig schon gar nicht.
Sie werden’s gleich erfahren, wenn Sie das Buch denn lesen wollen. Während der
Dauer des Romans passieren schlimme Dinge, die Sie Ihren Kindern nicht erzählen
sollten. Stellen Sie sich vor, Ihre
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