Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
wach und hielt seine Augen offen, starr gen Himmel gerichtet. Garandors Augenlider hingegen fielen rasch zu und der Schlaf entführte ihn in eine unruhige Traumwelt, in welcher er sich einem unmöglich-langen, blinden Wurm gegenübergestellt sah. Mit einem schleimigen, schmatzenden Geräusch zog das widerliche, graue Geschöpf Kreise um ihn und stets blickten ihn leere Augenhöhlen an. Jeder Versuch aufzuwachen, scheiterte.
XVIII
Waldoran saß seelenruhig auf dem braunen Gras und blickte sich um. Der Zwerg schnarchte bereits lauthals und wand sich unruhig in seinen Träumen; der junge Mensch nicht. Dante bohrte aus Langeweile mit Hilfe seines Schwertes ein Loch in den prächtigen Baum, welcher sich gegenüber demjenigen befand, den Garandor als Kopfkissen missbrauchte.
„ Lass den Baum in Frieden. In ihm steckt mehr Leben, als du dir vorstellen kannst.“ Dante zuckte zusammen, als Waldorans scharfe Stimme die Stille zerriss.
„ Nein.“ lautete Dantes ungläubige Antwort. Seine Augen funkelten vor Neugier.
„ Ich lüge nicht. Und nun leg deine Klinge nieder.“ Waldoran legte viel Gewicht in seine Worte, weswegen Dante tat, wie ihm geheißen.
„ Spüren sie Schmerzen?“
„ Sie empfinden dieselben Emotionen wie andere Geschöpfe der Insel.“ nickte der Elf.
„ Des Weiteren sprechen sie mit mir. Er erzählt mir, dass du ihm Schmerzen bereitet hast.“ Dante blickte den Baum ehrfürchtig an und kroch in eine sichere Entfernung vom mächtigen Stamm. Anschließend rollte er sich auf den Bauch und starrte gedankenverloren auf die Wurzeln, streichelte sie mit seinen Fingern.
„ Kann man das erlernen?“ fragte Dante unschuldig, obwohl er sich der Antwort bereits bewusst war.
„ Nein. Lediglich wir Elfen besitzen die natürliche Gabe dazu.“ Nachdem der Fürst sich sicher war, dass Dante mehr Acht auf seine Umgebung geben würde, erlaubte er sich selber eine flüchtige Rast und schloss die Augenlider mit den elegant geschwungenen Wimpern. Die gedämpften Geräusche des Waldes fanden ihren Weg in seine spitzen Ohren. Das ferne Zwitschern alltäglicher Vögel; die leichte Böe, welche den Blättern ein beruhigendes Rascheln entlockte, eine natürliche Melodie. Waldoran konnte sich keinen perfekteren Ort als einen Wald vorstellen. Weder die tiefen Stollen und zwielichtigen Festungen der Zwerge, noch die Licht-durchfluteten Schlösser der Menschen zogen ihn im selben Maße an, wie die vollendete Unberührtheit und Perfektion der Natur.
Seine Gedanken schweiften weiter ab, als er in einen friedlichen Schlaf sank. Er träumte von Saliana in der fernen Heimat. Sie streiften, die Hände fest umschlossen, durch die knöcheltiefen Bäche Antárs. Plötzlich verschwamm das Bild vor seinen Augen, verwandelte sich in ein anderes, ebenfalls bekanntes Gesicht.
„ Waldoran. Waldoran, ich habe etwas gehört.“
Ohne zu antworten, ging der Elf in die Hocke, und lauschte angespannt.
„ Ich weiß –“
„ Sei still.“ Dantes Ansatz zu einer Erklärung wurde durch das lähmende Zischen des Elfen unterbrochen.
Es klang wie ein Gewitter, wie ein entferntes Donnergrollen, das allmählich in ihre Richtung zog. Garandor, Dante und Waldoran blickten angestrengt in den Wald, doch waren nicht in der Lage, etwas auszumachen. Erst eine kurze Weile später zerbrach der Donner in das Getrampel hunderter, tausender Hufen; wurde allmählich deutlicher.
„ Pferde.“ vermutete Dante in seiner Unerfahrenheit. Ein vehementes Kopfschütteln Waldorans bedeutete ihm, dass er falsch lag. Schluckend blickte der junge Kriege über seine Schulter zu Garandor. Mittlerweile hatte das Trampeln der Hufen eine schmerzhafte Lautstärke erreicht.
„ Folgt mir. Sofort.“ rief der Fürst ungeduldig gegen das Tosen an, während er bereits damit beschäftigt war, all ihre Sachen zusammen zu klauben. Innerhalb weniger Augenblicke war er bereit zum Aufbruch.
Mit einem raschen Wink befahl Waldoran seinen zwei Begleitern, ihm zu folgen, als er mit weiten Schritten auf das nächste dichtere Gestrüpp zu rannte und mit einer fließenden Rolle im Dunkelgrün verschwand. Dante und Garandor gesellten sich kurze Zeit später, getrieben von Panik, zu ihm. Lange Zeit blieben sie regungslos, auf den feuchten, modrigen Boden gepresst, liegen. Keiner wagte es, einen Atemzug zu nehmen.
Das Getrampel verschwand und das lang-gezogene Scharren von schweren Hufen befand sich nun direkt vor ihnen. Als hätte das
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