Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
nickte Lannus bedächtig. Der Nebel vor seinen Augen verzog sich allmählich.
„ Wie lange war ich bewusstlos, Kandra?“ murmelte Lannus vor sich hin.
„ Die letzten, roten Strahlen der Sonne ziehen sich zurück.“ antwortete der Hauptmann. Jetzt erst schaffte Lannus es, sich aufzurichten. Besorgt bemerkte er die nachdenklichen Blicke seines Freundes.
„ Kandra – „ begann er. Ein Kieselstein aus Angst fiel in seinen Magen und blieb hartnäckig dort liegen.
„ Es scheint, du erinnerst dich nicht an Alles, Lannus.“ Seine Augen verdunkelten sich.
„ Was ist geschehen, Kandra?“ Der Dieb durchsuchte seine Erinnerungen nach möglichen Anhaltspunkten, doch fand nichts.
„ Sofort, Kandra.“ Der Kieselstein wurde größer und presste Nachdruck in seine Worte.
„ Nachdem Beramon deinen Finger abgeschnitten hat, wurdest du nicht umgehend bewusstlos. Du warst sichtlich schockiert, doch hattest noch ausreichend Kraft um deinen langen Dolch unter deinem Arm durch nach Hinten zu stoßen. Er ist tot, Lannus. Und obwohl du dir Respekt bei einem winzigen Teil des Zirkels verschafft hast, gibt es Freunde Beramons, die auf Rache sinnen. Du solltest verschwinden, Lannus. Sofort.“
Mit diesen ernsten Worten verließ Kandra den kahlen Raum, in welchem sein Bruder, der Mörder ruhte.
Die Wände bestanden aus makellosen, weißen Marmorblöcken. Ein bequem-aussehender Holzstuhl, ein schmaler, kastanienfarbener Tisch und sein Bett waren die einzigen Gegenstände. Er bedachte seine Optionen. Beim Zirkel zu verweilen schien ihm keine Möglichkeit, vor allem nicht, nach Kandras furchteinflößender Erklärung der Ereignisse. Flucht, so schien es, war die einzig sichere Variante. Für schmerzende Augenblicke überlegte Lannus, ob es sich nicht um eine Lüge handelte, doch fand keine mögliche Erklärung dafür. Er musste also verschwinden. Dabei hatte sich sein Leben soeben erst zum Besseren gewendet.
Sein Schicksal verfluchend, setzte er sich auf die Bettkante.
XVII
„ Ich kann nicht mehr.“ Garandor war vollkommen erschöpft. Jedes einzelne Glied seines Körpers schmerzte und Schweiß brannte ihm in den Augen und versickerte in den Tiefen seines prächtigen, braunen Bartes. Waldoran warf ihm einen unverwandten Blick zu, während die Augen des jungen Dante zwischen dem hochgewachsenen Elfen und dem Zwerg hin- und her wanderten. Der Fürst hatte auf der gesamten Reise lediglich ein paar knappe Befehle gegeben. Ansonsten schwieg er wie die Bäume.
„ Bald.“ sagte er schließlich nach einer unangenehm langen Pause. Waldoran war umgehend zum Leiter des Dreiergespanns geworden, was auch niemanden störte, da er der älteste, erfahrenste und stärkste von ihnen war. Zudem war er in seiner Heimat Antár ein angesehener Elfenfürst.
Garandor litt bereits unter dem Marsch. Er war das ewige Wandern schlichtweg nicht gewöhnt. Seine Arbeit verbrachte er oft auf den Knien oder im Sitzen. Er hoffte innig, dass sich seine Füße noch an die endlosen Abstände zu Fuß gewöhnen würden.
Zumindest das Wetter schien es nicht auf sie abgesehen zu haben, denn strahlender Sonnenschein hatte ihre Reise bisher begleitet – nachdem das anfängliche Grau überaus rasch gewichen war – und würde sie in Zukunft vermutlich nicht verlassen, spekulierte der Zwerg. Und auch sonst schien die Straße vor ihnen gefahrlos zu sein und leer. Garandor wiegte sich zwischen dem Elfen, der ohne Frage ein begnadeter Kämpfer war, und Dante, welcher anscheinend auch über imposantes Talent verfügen sollte und gar von einem anderen Elfen unterrichtet worden war – zumindest hatte man dem Steinmetz das in der Festung erzählt – in relativer Sicherheit.
Garandor fühlte sich nicht bloß aus diesem Grund erleichtert, dass er Dante als Gefährten besaß, sondern auch weil er spürte, dass Dante ein hervorragender, loyaler Freund werden konnte. Der Mensch versprühte eine hoffnungsvolle Freundlichkeit, welche Garandor neuen Mut schenkte und ihn letztendlich dazu brachte, ein Gespräch zu suchen. Besser, sich so rasch wie möglich – und so gut es ging, dachte sich der Zwerg, seine Augen auf Waldoran gerichtet – mit seinen Reisegefährten anzufreunden; sie würden schließlich eine Menge Zeit miteinander verbringen.
„ Dante.“ äußerte er deshalb vorsichtig.
Zu leise, Dante hatte zwar etwas wahrgenommen, doch drehte seinen Kopf in alle Richtungen, um festzustellen, woher das Geräusch drang.
„
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