Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Abordnung aus Irtrawitt verschenkt.“
Lys verbarg mühsam den Schock über diese lässig dahin geworfenen Worte. „Gab es dafür einen Grund, Eure Majestät?“
„Er hat sich recht unverschämt aufgeführt und mehrere meiner Gardisten verletzt. Was er eigentlich hier zu suchen hatte, habe ich nicht herausgefunden, es ist mir auch gleichgültig. Nun, der Fürst von Irtrawitt – du kennst ihn wahrscheinlich nicht? – wollte eigentlich nur höflich um ein Handelsabkommen bitten lassen. Da er allerdings stets Sklaven für seine Erzminen braucht, dachte ich mir, ein solch kräftiger Bursche wird dort eine Bereicherung sein. Stimmst du dem nicht zu?“
Lys zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln, während seine Gedanken rasten. Irtrawitt war keine Provinz Onurs, sondern lag jenseits der Eisenberge, die Onur von den reichen Landen im Südosten des Kontinents trennten. Die Richtung, die Albor angegeben hatte, in die Kirian verschleppt worden war, passte dazu. Aber war das schon alles? Hatte Kirian sich tatsächlich leichtsinnig hierher in Gefahr begeben und war dabei überwältigt worden? Gewiss, Maruv würde eine solche Gelegenheit, ihm, Lys, schaden zu können freudig begrüßen. Kirian mochte impulsiv sein, doch ohne Grund hätte er weder Purna aufgesucht noch irgendjemanden angegriffen. Schließlich bestand die Möglichkeit, dass Maruv sich an Stefár von Lichterfels erinnerte und Kirian als den erkannte, der er tatsächlich war. Es musste sich um eine Intrige handeln, eine Falle, in die man Kirian gelockt hatte, um ihn, Lys, zu treffen. Wer steckte dahinter? Wer kannte Kirian gut genug, um ihm eine Nachricht zukommen zu lassen, von der selbst Albor nichts gewusst hatte? Was war wirklich geschehen?
Lys entschloss sich, frontal anzugreifen.
„Ich bedaure sehr, dass mein Freund und Beschützer sich ungebührlich aufgeführt hat. Ist es aber nicht ein wenig … unangemessen drastisch, einen einfachen Mann in den Tod zu schicken, wenn man doch eigentlich seinen Herrn bestrafen will?“
Der lauernde Ausdruck in Maruvs Gesicht vertiefte sich. „Tun wir das nicht immer, wenn wir in den Krieg ziehen? Soldaten sterben für ihre Herren, so ist der Lauf der Dinge.“
„Habt Ihr mir denn den Krieg erklärt, Majestät?“ Lys blieb weiterhin äußerlich unbewegt, obwohl er wusste, wie gefährlich es war, was er hier trieb. Maruvs Antwort kam einem Geständnis gleich. Es war nur ein winziger Sieg in einem Spiel, dessen Regeln sich beständig änderten und in dem Freund und Feind oft für ein- und dieselbe Person standen. „Wollt Ihr mich gar vernichten? Und wenn ja, lediglich politisch?“ Der König fuhr leicht zusammen, doch ansonsten zeigte er keinerlei Schwäche.
„Hätte ich Grund dazu, Lyskir von Corlin?“
„Bei der göttlichen Weisheit, niemals! Ich bin Euer treu ergebener Diener.“
„Nun, das freut mich zu hören. Man sagte mir, du gedenkst schon bald wieder weiterzureisen. Darf ich erfahren, wohin es gehen soll?“
„Gewiss. Ich hatte ein Gerücht gehört, wo sich mein Feind – Ihr erinnert Euch vielleicht, der Räuber Kirian – vor einiger Zeit aufgehalten haben soll. Dem wollte ich nachgehen, bevor ich den Ausbau des neuen Schlosses, das meiner über alles geliebten Gemahlin würdig ist, weiter vorantreibe.“
„Ich kann also davon ausgehen, dass du dich in absehbarer Zeit in Weidenburg aufhalten wirst, sollte ich dich aus irgendeinem Grund rufen lassen müssen?“
Es war nicht zu überhören, welche Frage tatsächlich hinter Maruvs Worten steckte. Läufst du deinem Freund nach oder nicht? Willst du ihn nicht retten?
„Sollten mich keine Pflichten nach Lichterfels, Corlin oder irgendeinen anderen Ort berufen, könnt Ihr stets mit mir rechnen, Eure Majestät.“
Lys hasste Maruv für dessen Spott, für das triumphierende Glitzern in seinen Augen.
Vielleicht hatte der König sich erhofft, Lys auf solch einfache Weise loswerden zu können. Ganz sicher aber weidete er sich daran, ihm einen solchen Schlag versetzt zu haben, gegen den Lys sich nicht wehren konnte. Oder auch nur rächen.
„Eine Reise nach Irtrawitt hattest du also nicht geplant? Zum Beispiel, um den dortigen Fürsten deine Aufwartung zu machen, in deiner Eigenschaft als zweiter Thronfolger?“ Konzentriert verzog Lys sein Gesicht zu einer erstaunten Miene. „Ich weiß nicht einmal genau, wo sich dieses Fürstentum befindet, sobald man das Gebirge überquert hat, Eure Majestät. Mir ist lediglich bekannt, dass man den Pass
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