Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Und Tomar, ich will, dass Anniz mit meinem Sohn von hier verschwindet. Bring die beiden an einen sicheren Ort in der Nähe. Schwere Bewachung wird nicht nötig sein, Anniz ist für eine Amme ziemlich wehrhaft und je mehr Beschützer, desto mehr Aufmerksamkeit wird erregt. Vermutlich wird auch Albor in einigen Tagen hier erscheinen und nach ihnen fragen, um sich um beide kümmern zu können.“ Kummer überschattete für einen kurzen Moment lang Lys’ Gesicht. Einmal mehr hatte er nicht genug Zeit, sich von Lynn zu verabschieden. Er liebte seinen Sohn, der mittlerweile schon die ersten Worte sprach, von Herzen – ganz im Gegensatz zu Elyne, seiner Frau. Ein Glück, dass sie sich weiterhin in Lichterfels bei ihren Eltern aufhielt!
In den vergangenen zwei Jahren hatte Tomar sie wenig zu Gesicht bekommen und war froh darüber. Sie war zwar Lys gegenüber nicht mehr ganz so abweisend wie am Anfang ihrer glücklosen Ehe, doch es gab keine Hoffnung, dass jemals Liebe oder auch nur Freundschaft zwischen ihnen erwachsen würde. Lys baute für sie ein schmuckes kleines Schloss auf dem Gebiet von Weidenburg, ein sonniges, großzügiges Anwesen, das Elyne für sich allein beanspruchen durfte, sobald es fertiggestellt war.
Die Bauarbeiten schob er für den stets misstrauisch auf Schwächen lauernden Hochadel vor, es war ein nachvollziehbarer Grund, dass Elyne diesem Lärm und der Unruhe entfloh und darum von ihrem angeblich so geliebten Ehemann getrennt lebte. Da zudem allgemein verbreitet worden war, Elyne habe sich von der Entführung und Gefangenschaft, die ihr widerfahren waren, noch nicht erholt, und fürchte sich davor, in der Weidenburg leben zu müssen, glaubte man ihm. Bis jetzt.
Lys’ Stimme drang in seine finsteren Gedanken.
„Ich hoffe, ich kann rasch zurückkehren, Tomar. Wenn Lynn nach mir fragen sollte, richtet ihm aus, ich denke jeden Tag an ihn und bringe ihm etwas von der Reise mit.“ Mit diesen Worten schwang er sich auf seinen Fuchshengst und ergriff die Zügel von Onkars Stute. „Ich reite nach Purna, mal sehen, was unser geliebter König zu der Sache zu sagen hat. Schickt die Eskorte dorthin, wir werden uns schon unterwegs treffen.“ Er zögerte kurz, dann nickte er Tomar zu. „Du weißt, was du zu tun hast. Sei auf alles vorbereitet, du hast freie Hand bei deinen Entscheidungen.“
Unvermittelt schaute er Onkar mit einem spöttischen Grinsen an: „Kopf runter, Schultern hängen lassen. Du wurdest ausgepeitscht, vergiss das nicht! Sobald wir außer Sicht der Burg sind, nehme ich dir diese Ketten ab.“ Mit diesen Worten trieb er die beiden Pferde an und verschwand, ohne sich noch einmal umzuwenden.
Tomar blickte ihm hinterher. Ja, er wusste, was Lys befürchtete, und er teilte diese Furcht.
Ich werde Weidenburg schützen, Herr. Mit meinem Leben, wenn es sein muss!
Noch einmal dachte Lys nach, ob er irgendetwas oder jemanden vergessen hatte, dann überließ er innerlich die Sorge für all seine Pflichten Tomar. Kirian. Seine Gedanken, seine gesamte Kraft konzentrierte sich ausschließlich auf den Mann, den er liebte.
Ihr Götter, gebt, dass er lebt!
2.
Dunkel. Es war dunkel. Er erinnerte sich nicht, wie er hierhergekommen war, oder wo „hier“ sein mochte. Er wurde durchgeschüttelt, das Schaukeln verursachte Übelkeit. Und Schmerz. Nun erinnerte er sich zumindest an die Schmerzen. Sie erfüllten sein gesamtes Bewusstsein. Wie hatte er sie vergessen können? Stöhnend versuchte er, sich davon zu lösen. Fort von dem Schmerz und den Gedanken an verlorene Erinnerungen!
„Er ist wach!“, zischte eine Stimme über ihm.
Merkwürdiger Akzent …Ich kenne ihn …
Die Stimme klang verächtlich, aber wem auch immer sie gehörte, derjenige gab ihm einen Trank, der nach nichts roch oder schmeckte, dafür sein Inneres zu verbrennen schien. Doch nur einen Moment lang, bevor er ihn von diesen Schmerzen erlöste. Eine kleine Weile schwebte er noch in der Dunkelheit dahin, fern von Stimmen, Schmerz und Übelkeit, dann sank er zurück in das selige Nichts, aus dem er gekommen war.
˜ ™
Lys folgte Onkars Schatten. Sie huschten beide durch die Wälder, die Purna umgaben, zum Schloss von König Maruv. Die Pferde hatten sie in der Obhut der beiden Gardisten zurückgelassen, die Tomar ihnen nachgeschickt hatte. Gute Männer, die zwar nicht allzu glücklich darüber waren, ihren Herrn mit einem jungen, unerfahrenen Räuber in die Dunkelheit verschwinden zu lassen, sich diesem Befehl
Weitere Kostenlose Bücher