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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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die in die Strömung hingen wie die langen, strähnigen Haare eines Wassertrolls.
    Dann verließen wir den Troll und das Wilde Wasser und kletterten die steile Böschung hoch, um uns oben auf den Boden fallen zu lassen. Eine Zeit lang saßen wir nur so da und keuchten. Aber nach einer Weile fingen wir an, mit den Zähnen zu klappern, denn trotz des Sommers war es schattig und kühl im Wald und wir froren in unseren nassen Kleidern. »Feu… Feuer«, klapperte ich. »Wir brau… brauchen ein F… Feuer, um unsere Kleider zu trocknen und uns a… aufzuwärmen.«
    Ganz in der Nähe fand ich einen Platz, wo die Bäume weit genug auseinanderstanden, um ein Feuer zwischen ihnen zu entzünden, ohne dass versehentlich gleich der ganze Wald in Flammen aufging.
    Wir sammelten Holz und dürre Äste und schließlich sagte Joern mit blauen Lippen: »Wir haben nichts, um das Feuer anzumachen.«
    Ich grinste, holte zwei Steine aus der Hosentasche und wischte sie an einer Handvoll Laub trocken.
    Joern runzelte die Stirn. »Feuersteine? Gibt es die wirklich?«
    Ich nickte. »Hier schon. Hab ich selbst gefunden. Flint hat mir gezeigt, welche man nehmen muss.«
    Joern staunte nicht schlecht, als ich die Steine ein paarmal aneinanderschlug und tatsächlich ein Funke ins Reisig flog. Ich brauchte ein paar Versuche, doch schließlich loderten die Flammen gelb und gleißend in den Himmel. Da wurde mir allein vom Stolz ganz warm.
    Joern streckte seine Hände aus und lächelte.
    »Du könntest wirklich in einem Buch aus der Leihbücherei leben«, meinte er.
    »Hm, wer weiß«, sagte ich. »Wer weiß? Vielleicht leben wir ja alle bloß in einem Buch.«
    Dann begann ich mich aus den nassen Sachen zu winden, die an mir klebten wie eine Gummihaut. Joern stand nur da und sah mir zu. Ich steckte zwei Äste neben dem Feuer in den Waldboden und hängte meine Hose und mein Hemd daran.
    »Ist ganz einfach«, erklärte ich. »Wie beim Kartoffelrösten. Was ist? Willst du dir eine Lungenentzündung holen?«
    »Nein«, sagte Joern zögernd. »Ich, äh, ich hab noch nie an einem Feuer Kartoffeln geröstet.«
    »Es sind ja auch keine«, erwiderte ich fröhlich. »Es sind Kleider. Die gute Nachricht ist: Du brauchst sie nicht zu essen.«
    Joern lachte nervös. »Da … wo ich herkomme«, sagte er, »zieht man sich nicht vor Fremden aus.«
    »Ich bin ja auch kein Fremder«, sagte ich. »Ich bin dein Freund.«
    Und da zog Joern seine Sachen doch aus, aber wohl nicht, weil ich sein Freund war, sondern weil er sonst einfach erfroren wäre.
    Kurze Zeit später saßen wir splitternackt neben der Flamme und sahen zu, wie unten der Fluss vorbeischäumte und wie unsere Kleider rösteten. Nur unsere Schuhe, diebrauchten wir nicht zu rösten. Die hatte das Wilde Wasser mitgenommen.
    »Ich wüsste gern, wo sie hingespült werden«, sagte ich. »Sie passen sicher durch die Maschen im Netz. Wer sie später wohl findet und sich darüber wundert?«
    Ich war so erleichtert, dass wir hier saßen, statt unter dem Wasserfall zu liegen und mausetot zu sein, dass ich hätte singen können. Und alle Kjerks der Welt waren mir vollkommen egal.
    »Ich frage mich, wo Flop ist«, sagte Joern.
    Genau in diesem Moment bellte es hinter uns und eine kleine schwarze Fellkugel schoss aus dem Unterholz.
    »Das ist ja irre!«, flüsterte Joern. »Das ist unmöglich! Als hätte er auf sein Stichwort gewartet!«
    Flop nieste und legte den Kopf auf Joerns bloßes Knie. Einen Augenblick später war er fest eingeschlafen. Immerhin, dachte ich, war er verflixt weit gelaufen. Ich sah hinunter zu dem Volleyballnetz im Fluss und fand auch alles etwas irre. Und da entdeckte ich das Band. Es war weiß, genau wie das Band an meinem Fahrrad, und hing in den Zweighaaren des Busches, an dem wir hinaufgeklettert waren. Wir hatten es bisher einfach übersehen. Ich zeigte es Joern.
    »Der Weiße Ritter«, murmelte er nachdenklich. »Du glaubst, er war es?«
    Ich nickte. »Er muss in der Nähe sein. Er hat uns schon wieder gerettet.«
    Ich streifte den Ring vom Daumen und betrachtete ihn.
    »Meinst du«, fragte ich, »der Ring gehört auch dem Weißen Ritter?«
    Der Schein des Feuers brachte den Ring zum Leuchten und nun merkte ich, dass er keineswegs silbern war wie die Enden des Bogens. Er war golden. An einer Seite glitzerte und funkelte ein kleiner Edelstein in allen Farben des Regenbogens.
    »Ich habe keine Ahnung, wem er gehört«, sagte Joern und kraulte den schlafenden Flop. »Nur eins weiß ich

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