Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
Joern vorbei. Dort kam Johann über den Hof, Johann mit seinem Gewehr und seinem steinharten Gesicht. Flop blickte von ihm zu Joern, dann zu Tök und wieder zurück und er schien zu begreifen, was geschehen sollte. In seinen Knopfaugen spiegelte sich die Angst.
    »Geht jetzt weg da!«, rief Johann.
    Frentje pfiff, damit Flop zu ihr kam. Er stellte die schwarzen Ohren auf – und rannte los. Doch er rannte nicht zu Frentje. Er rannte quer über den Hof davon, an Frentjes Haus vorbei mitten hinein in den Wald. Dorthin, wo irgendwo der Kjerk lauerte.
    »Flop!«, schrie Joern. »Komm zurück!«
    Und dann rannte auch Joern los, seinem Hund nach, und ich rannte Joern nach. Hinter uns riefen Frentje und Johann etwas, aber wir drehten uns nicht um.

Unter dem Wilden Wasser
    A ls ich Joern einholte, hatte sich das dichte Grün des Norderwaldes bereits um uns geschlossen und kurze Zeit später hörten wir in der Ferne einen Schuss. Mein Herz wollte zerspringen, denn nun wusste ich, dass Tök tot war, aber ich blieb nicht stehen. Vor uns hetzte panisch ein kleiner schwarzer Schemen durchs Unterholz und den durften wir nicht aus den Augen verlieren. Den durfte der Kjerk auf keinen Fall in die Fänge bekommen.
    Manchmal blieb Flop stehen, doch wenn wir ihn beinahe eingeholt hatten, rannte er jedes Mal weiter. Fast so, als liefe er nicht länger vor den Menschen und ihren Gewehren davon. Es kam uns vor, als folgte er jetzt einer Spur, die wir nicht sehen konnten.
    Und dann dachte ich: Er lockt ihn. Der Kjerk lockt ihn. Er ist hier. Es war ein schrecklicher Gedanke. Gerade als ich ihn dachte, kamen wir an den Fluss, der friedlich in der Sonne dahinfloss. Doch es gab keinen Frieden mehr in diesem Wald.
    »Ich glaube, er … er ist am Fluss entlanggelaufen!«, keuchte Joern. »Stromabwärts!«
    Hier war das Unterholz dicht. Wir hörten Flop darin rascheln. Das Rascheln entfernte sich schnell. Es schien mir unmöglich, ihm durch dieses Dickicht zu folgen. Flop war klein genug, um unter den Ästen durchzuschlüpfen, aber wir, wir würden zu langsam sein.
    »Das Boot!«, rief Joern und da entdeckte auch ich es. Es lag verborgen hinter einigen Zweigen und war mit einem Seil an einer Uferwurzel befestigt.
    »Das ist unseres«, sagte ich verblüfft. »Sonst liegt es ganz woanders, weiter flussaufwärts an einem kleinen Steg!«
    Es war, als hätte jemand das Boot extra für uns hier angebunden, und wer immer es gewesen war, ich dankte ihm im Stillen dafür. Joern hielt das Boot fest und ich löste das Seil, dann sprangen wir an Bord. Sekunden später trieben wir den Fluss hinunter, packten die beiden Paddel und bemühten uns, Flop einzuholen. Doch während wir damit beschäftigt gewesen waren, das Boot loszumachen, hatte Flop einen ordentlichen Vorsprung bekommen.
    Wir fuhren an meinem Lieblingsplatz vorbei, wo irgendwo im hohen Gras verborgen ein zwölf Jahre alter Grabstein lag. Die Linde neben dem Stein winkte uns mit ihren grünen Blättern. Es schien hundert Jahre her zu sein, dass wir dort in der Sonne gelegen hatten.
    »Hilf uns!«, flüsterte ich, so leise, dass Joern es nicht hörte. Aber vielleicht hörte meine Mutter es, die unter der Linde ruhte. Bei Linden, hatte Almut gesagt, konnte man nie wissen.
    Nach der Lichtung machte der Fluss eine weite Biegung und schließlich traten die Ufer näher und näher zusammen. Die Strömung trieb das kleine Boot immer schneller voran.
    »Viel weiter dürfen wir nicht fahren!«, sagte ich. »Dort hinten kommen die Stromschnellen mit ihren heimtückischen Felsen. Und das Wilde Wasser. Aber noch schlimmer ist, was danach auf einen wartet. Flint hat mich davor gewarnt. Nach dem Wilden Wasser …«
    »Psst!«, machte Joern. »Hörst du Flop noch?«
    Wir hielten die Paddel still und lauschten. Das Rascheln am Ufer war verstummt. Oder vielleicht wurde es übertönt von einem anderen Geräusch. Dem Tosen von Wasser, ganz nah.
    »Was ist …?«, begann Joern.
    In diesem Moment spülte der Fluss uns schon um eine weitere Biegung und dahinter trieb uns die Strömung plötzlich mit aller Macht voran. Es war zu spät, Joern etwas von den Stromschnellen zu erzählen, denn nun lagen sie genau vor uns. Wir hörten das Wilde Wasser fauchen und brüllen, als könnte es kaum darauf warten, uns und unser Boot zu verschlingen.
    »Ans Ufer!«, schrie ich. »Joern! Schnell!«
    Wir begannen wieder zu paddeln, versuchten die Nase des Bootes zum linken Ufer zu drehen, das näher schien – doch die Strömung war

Weitere Kostenlose Bücher