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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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sah ebenfalls auf und stieß gegen seine Tasse, woraufhin der Kaffee herausschwappte.
    »Ihr habt den Bogen gefunden«, sagte er. »Aber das … das war nicht der, den ich meinte.«
    »Ach so«, sagte ich einfach und hängte den Bogen über eine Stuhllehne.
    »Willst du nicht fragen, ob du ihn benutzen darfst?«, fragte Flint, während er sich neuen Kaffee eingoss. Seine Hand zitterte dabei.
    »Nein«, antwortete ich entschlossen. »Er hat meiner Mutter gehört und die kann ich nicht mehr fragen.«
    Flint zögerte. »Er … hätte ihr fast gehört. Sie … ist gegangen, ehe ich ihn ihr schenken konnte.«
    Ich spürte die Spannung in der Küche. Joern spürte sie wohl auch, denn er ruckte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Flop hatte sich unter dem Tisch verkrochen.
    »Jetzt fangt bloß nicht an, euch zu streiten!«, sagte Almut. »Lasses Mutter hätte bestimmt nichts dagegen, dass jemand den Bogen benutzt. Ich glaube, sie würde sich freuen. Sonst lasst sie doch selber entscheiden.«
    Flint verschüttete seinen Kaffee zum zweiten Mal. »Lasst sie selber entscheiden?«
    »Na, ich meine: Ihr könnt ja zu ihrem Grab gehen und die Linde fragen«, erklärte Almut und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht gibt sie euch ein Zeichen. Bei Linden kann man nie wissen.«
    »Quatschkopf«, sagte ich.
    Doch Flints Gesicht entspannte sich plötzlich. »Es ist okay«, sagte er. »Der Bogen gehört dir, Lasse.«
    Joern atmete hörbar aus und Flop kam unter dem Tisch hervor. Die beiden mussten wirklich eine Heidenangst haben vor Streit.
    »Na also«, sagte Almut zufrieden und goss Flint Kaffee nach. »Und jetzt frühstücken wir erst mal in Ruhe weiter.«
    Aber wir frühstückten überhaupt nicht in Ruhe weiter. Denn in diesem Moment schrie draußen jemand.
    Wir sprangen alle gleichzeitig auf. Flop bellte und Flint stieß die Kaffeetasse zum dritten Mal um. Der draußen schrie weiter. Ich verstand nur einzelne Satzfetzen. »Verdammt will ich sein, wenn …«, und: »… reicht es ein für alle Mal!«, und: »… mit meinen eigenen Händen!«
    »Das ist Johann«, sagte Almut.
    Flint nickte. Er war als Erster bei der Tür.
    Ich schnappte mir den Bogen und wir fielen alle fast übereinander, so schnell versuchten wir hinauszukommen, während Flop aus voller Kehle weiterbellte. Und dann sahen wir Johann.
    Er kniete mitten auf dem Hof. Vor ihm lag Tök, der Hütehund. Johann hatte sich tief über ihn gebeugt und ich sah, wie die Flanken des Hundes sich ganz sachte hoben und senkten. Quer über den Hof zog sich eine Spur aus dunklem Blut. Sie führte zwischen dem Stall und Frentjes Haus hindurch, dorthin, wo die Schafweide lag.
    »Bleib hier, Lasse!«, sagte Flint, doch da war ich schon losgerannt.
    Joern folgte mir und Flop schoss an uns vorbei. Gleich darauf kauerte er sich dicht neben Tök und begann in einem fürchterlichen hohen Ton zu winseln. Über Töks Bauch lief eine tiefe Wunde, glatt wie der Schnitt eines sehr scharfen Messers.
    Johann sah auf. Sein Blick war hart wie Stein.
    »Bis hierher hat er sich geschleppt, um uns zu warnen«, sagte er. »Weiter konnte er nicht. Heute hole ich mir diesen Kjerk, wo auch immer er sich versteckt und wie auch immer er aussieht. Es ist genug.«
    Seine großen rauen Hände streichelten Töks Kopf und Tök sah Johann an und wedelte schwach mit dem Schwanz.
    »Er … er stirbt doch nicht?«, flüsterte Joern.
    Und da sagte Johann das, was ich befürchtet hatte. »Nicht, wenn wir ihm dabei nicht helfen.«
    Er fuhr Tök ein letztes Mal über den Kopf und stand langsam auf. Dann ging er in den Stall, um sein Gewehr zu holen. Frentje, die ich bisher gar nicht bemerkt hatte, rannte ihm nach.
    »Nicht, Johann!«, rief sie. »Das darfst du nicht tun!«
    »Sei still, Frentje«, erwiderte Johann schroff. »Tök ist mein Hund und ich werde nicht zusehen, wie er sich quält und quält und am Ende elend zugrunde geht. Geh mir aus dem Weg!«
    Ich drehte mich nach Flint um und sah, wie er Almut zurück ins Haus zog. Dabei glaube ich, Almut hätte dies alles viel eher mit ansehen können als Flint selbst.
    »Leb wohl, Tök!«, sagte ich leise und strich dem sterbenden Hund über eines seiner weichen Ohren. Es war alles so fürchterlich! Der Kjerk war wiedergekommen; er war kein bisschen tot. Ich hatte ihn nicht einmal ernsthaft verwundet. »Kein Pfeil fliegt weit genug«, murmelte ich.
    »Komm«, sagte Joern und streckte die Hände nach Flop aus.
    Flop hörte auf zu winseln. Er hob den Kopf und sah an

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