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Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Nagula
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zu verletzen. Natürlich stimmte es, daß heute niemand mehr die alten Programmierungstechniken verwendete. Wenn er nur daran dachte, heiterte sich seine Laune ein wenig auf. FORTRAN, ALGOL, BASIC, PL 1 – was für wunderbare Wege des Konzipierens und Gestaltens! Sicher keine idealen Methoden, in manchen Belangen geradezu unhandlich, aber diese kleinen Fehler machten sie um so liebenswerter – hier glich er einem Briefmarkensammler, dem die vergilbten alten Stücke weitaus mehr bedeuten als der schönste Neudruck. Doch es war noch mehr! Da waren diese logischen Fehler, diese Doppeldeutigkeiten und Widersprüche, die seinerzeit zur Entwicklung neuer, konsequent strukturierter Sprachen geführt hatten – nach den Erkenntnissen der Linguistik und der mehrdimensionalen Logik. So erfüllten diese Sprachen genau das, was sie sollten, und wenn man die Programme richtig schrieb, dann waren sie unfehlbar. Dagegen die alten Versionen, etwa von PL 1! Darin steckten Überlegungen, die nicht zu Ende gedacht waren, Ansätze, die niemand ausgenutzt hatte … Die Durchschnittsinformatiker, die damit nur Routineaufgaben lösten, hatten nichts von den Grenzen gewußt, die irgendwo verborgen lagen. Und jene, die weiter in die Tiefe gedrungen waren und es entdeckt hatten, dieses Niemandsland zwischen Logik und Widerspruch, sie waren zurückgeschreckt und hatten sich einfacheren Problemen zugewandt. Und er, Tom, war es gewesen, der all das wiederentdeckt hatte, mit seinen unleugbaren Mängeln und unwahrscheinlichen Möglichkeiten. Das war es ja eben – daß man auf diesem Weg in Bereiche gelangen konnte, die inzwischen längst verschüttet schienen …
    Der Beamte hatte schon dreimal zu sprechen angesetzt, und Tom hatte ihn nicht gehört. Nun schrak er auf und blickte den Mann an, der sich wahrscheinlich genausogut wie er über die Unfruchtbarkeit des nun folgenden Gesprächs im klaren war. »Es liegen erneute Beschwerden der Nachbarn vor«, erklärte er und blätterte in seinen Papieren. »Phantomschriften auf den Bildschirmen, oft gerade in der besten Fernsehzeit. Störungen im Bildschirmtext – manchmal erscheinen sinnlose Figuren, die die Schrift unleserlich machen. Immer mehr häufen sich auch die Beschwerden über lange Wartezeiten vor den Antworten im Dialogbetrieb. Der Grund liegt in den hohen Speicherkapazitäten, die Sie bei Ihren Arbeiten in Anspruch nehmen.« Dabei betonte er das Wort Arbeiten in süffisanter Weise.
    »Wie kommen Sie darauf, daß die Ursache dieser Störungen bei mir liegt?« fragte Tom.
    »Dafür haben wir nun eindeutige Beweise – die Ursache liegt bei Ihnen, daran ist nicht zu rütteln. In diesen Protokollen ist alles verzeichnet!« Er hob einen rot gebundenen Aktenordner hoch.
    »Liegt hier nicht eine Verletzung des Datenschutzgesetzes vor?« fragte Tom. »Soviel ich weiß, sind Rechenzeiten und Kanalkapazitäten nicht beschränkt. Es ist zwanzig Jahre her, seit die Benutzung frei und kostenlos ist, und damals sind auch alle gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen worden, daß es keinerlei Kontrolle oder Überwachung gibt. Dieses Protokoll, das Sie mir da vor die Nase halten – wenn Sie damit wirklich Angaben über von mir beanspruchte Rechnerkapazitäten in den Händen haben, dann sind das höchstens Beweise dafür, daß Sie die Vorschriften Ihrer eigenen Behörde gebrochen haben.«
    »Ganz so einfach ist das nicht«, antwortete der Beamte. »Sie wissen selbst, daß es Sonderfälle gibt – und Gesetze, die den Notstand berücksichtigen. Hier liegt ein Notstand vor! Und Sie sind daran schuld. Gewiß, die Rechen- und Speicherkapazitäten wurden freigegeben – doch als ein Zugeständnis an reife Bürger und nicht zur Unterhaltung asozialer Elemente! Gerade Sie liefern ein Beispiel dafür, wie man Freiheiten mißbrauchen kann – auf Kosten der anderen, Einsichtigen. Wenn Sie wüßten, was Sie uns für Arbeit gemacht haben! Monatelang mußten wir Unterlagen sammeln und immer wieder den vorgesetzten Dienststellen vorlegen, ehe wir die Erlaubnis bekamen, unsere Kontrollgeräte anzuschließen.«
    »Darüber werde ich mich beschweren!« sagte Tom. »Und damit dürfte unser Gespräch wohl zu Ende sein – ich habe zu tun!«
    Der Beamte schob seine Papiere zusammen, erhob sich zögernd. »Ich mußte Sie offiziell darauf aufmerksam machen«, sagte er. »Sie wissen doch, daß ich persönlich gar nichts gegen Sie habe. Ganz im Gegenteil – ich bedaure die Schwierigkeiten, in die Sie geraten sind. Nun ja

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