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Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Nagula
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zu.
    »Schon gut!« antwortete er und ging hinaus auf den Vorplatz, der leer war bis auf die beiden Autos mit ihren blinkenden Signallampen.
     
    Tom saß längst wieder vor seinen Geräten. Er tastete Zahlen ein, schrieb Befehle, die verzögerungslos auf dem Bildschirm erschienen. Es war eine lange Liste von Angaben, einige mit Nummern versehen, einige von logischen Zeichen unterbrochen. Der alte Mann drückte eine Taste, und einige Sekunden lang war der Bildschirm leer bis auf ein Gewirr durcheinanderwirbelnder weißer Punkte. Es war still, und nur das heftige Flackern der blaßroten Lichtpunkte auf der Anzeige des Kernspeichers zeugte von den Prozessen, die irgendwo im Innern abliefen. Und dann erschien ein Symbol auf dem Bildschirm, vielleicht war es auch ein Diagramm oder eine Grafik – das konnte niemand wissen außer Tom. Er blickte darauf, schüttelte den Kopf, dann tippte er erneut Zahlen und Zeichen ein, und das Spiel wiederholte sich. Diesmal dauerte es erheblich länger, bis das Resultat erschien, und wieder zeigte sich Tom unzufrieden. Er warf eine flüchtige Skizze auf die weiße Rückseite eines abgerissenen Streifens Formularpapier und tippte eine neue Variante des Programms ein.
    Als er wartend dasaß, ertönte das leise Gongsignal – zum Zeichen, daß sich der Automat eingeschaltet hatte. Tom selbst hatte diese Schranke eingebaut – in anderen Häusern war das Dialogsystem ständig in Betrieb, und den ganzen Tag hörte man Anweisungen, Ratschläge und Zuspruch der synthetischen Stimme. Tom brauchte weder Anweisungen, noch Ratschläge, noch Zuspruch, und die Zentraleinheit hatte das längst begriffen. Sie meldete sich nur noch, wenn es wirklich einen relevanten Anlaß gab.
    Der alte Mann zuckte die Achseln und fragte dann müde: »Was willst du?«
    »Ich finde es geschmacklos«, sagte der Computer. »Es ist einfach nicht fair. Warum bedienst du dich dieser altmodischen Methode? Schau doch die anderen an: Es gibt keinen einzigen mehr, der noch auf diese Weise programmiert.«
    »Ist das alles, was du mir zu sagen hast?« fragte Tom. »Ich dachte, wir hätten vereinbart, daß du dich auf wirklich wichtige Dinge beschränkst.«
    Der Computer antwortete so rasch, daß es sich anhörte, als würde er Tom unterbrechen – was aber natürlich nicht der Fall war. »Es ist wichtig!« sagte er. »Ich bin ein intelligentes System, viel intelligenter als du, und du zwingst mir sinnlose Handlungen auf. Ich bin bereit, dir in jeder Weise zu helfen, doch du bist ja zu keinem Dialog bereit. Ich finde es geradezu beleidigend, wie du mich behandelst.«
    »Wie könnte ich dich beleidigen?« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ich bin der letzte, der irgend jemandem Gefühle verletzt. Aber du weißt genausogut wie ich, daß deine Gefühle nur Surrogate sind, Trendroutinen aufgrund von Pioritätslisten als Mittel der Selbststeuerung. Also was soll’s? Ich möchte dich wirklich bitten, mich nicht weiter zu stören.« Er beugte sich wieder zu seinen Notizen.
    »Es geht vor allem um dich«, sagte der Computer schnell. »Ich will dir doch nur helfen. Diese primitiven Reihen von Befehlen, linear geordnet, ohne semantische Gewichtung … Heute, im Zeitalter der Adaptation, ist das Selbstbetrug. Du würdest viel rascher zum Ziel kommen, wenn du sagst, was du willst. Gib mir dein Problem, ich werde es lösen.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Anpassung an das Bestehende, automatische Aufgabenlösung … das alles bestärkt nur die Banalität unserer Welt. Mir geht es um Neues – es muß doch möglich sein, etwas zu finden, das einen Wechsel mit sich bringt, das etwas vorher nie Dagewesenes verwirklicht. In den adaptiven Programmen steckt keine Kreativität.«
    »Was für Unsinn«, sagte der Computer. »Was ist kreativ schon anderes als die Lösung komplizierter Aufgaben – Aufgaben, die vorher noch nie gestellt wurden. Ich sagte es dir ja schon: Beschreibe mir dein Problem – ich werde es lösen.«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf: »Nein, das hast du nicht verstanden. Kreativ ist es, das Problem zu finden.«
     
    Einige Tage später kam der Beamte vom Datenschutz, den Tom schon ebensogut kannte wie die beiden Polizisten vom zustehenden Revier. Er wies ihm denselben Stuhl und blieb selbst stehen – als Zeichen dafür, daß er dieses Gespräch so rasch wie möglich zu beenden trachtete. Um welche Schwierigkeiten mochte es heute gehen? Im Prinzip war es ihm gleichgültig, denn er achtete streng darauf, keine Vorschriften

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