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Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Nagula
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Augen dem Spiegelbild eines Wirken und Webens, dessen Urheber er war, Erfindung und Kunstwerk zugleich, unvoraussehbar, einmalig, allumfassend …
    Seine Hände waren von der Tastatur heruntergeglitten, lagen in seinem Schoß. Er brauchte nichts mehr zu tun – sein Ziel war erreicht.
     

 
H ELLMUTH L ANGE   Plaisantin begeht Massenmord
     
    Von unserem nach Paris entsandten Sonderkorrespondenten Henri Soubirouse
     
    Der Tag war voller Heuchelei. In den Parks blühten die Kastanien, der Himmel glänzte in strahlender Bläue, und die Menschen begannen nach dem Drei-Wochen-Dauerregen wieder aufzuleben. Die jungen Mädchen holten die duftigen Sommerkleidchen aus den Schränken und flanierten die großen Boulevards entlang. Die ganze Stadt schien eitel Wonne und Glückseligkeit auszustrahlen.
    Aber der Schein trog. An diesem gleichen Tag geschah eins der furchtbarsten Verbrechen, so sinnlos in seiner grotesken Zufälligkeit, in seiner furchteinflößenden Mischung aus menschlichem Schöpfergeist und den Pannen nicht zu Ende bedachter Komplikationsmöglichkeiten.
    Schauplatz des Geschehnisses, dem fünf Frauen zum Opfer fielen, ist das Krankenhaus Sainte-Adeline in der Nähe der Cité Universitaire im Süden von Paris. Leiter ist Professor Dr. Dr. Dr. Leon Labonne, weltberühmter Arzt der Herzchirurgie und Konstrukteur des künstlichen Herzens Azzocottalyt.
    Schon vor 15 Jahren hatte er mit seinen Arbeiten begonnen. Er ging dabei von drei Voraussetzungen aus: das Herz müßte möglichst klein sein, um den Körper nicht zu sehr zu belasten, es müßte mit Substanzen arbeiten, die der Körper nicht als fremd empfindet, und schließlich müßte es lange Zeit ohne Eingriff, ohne jede Hilfestellung von außen auskommen. Man hatte diese Voraussetzungen für unerfüllbar gehalten und ihn manchmal wegen seiner angeblichen Phantasterei scharf angegriffen.
    Aber Professor Labonne war ein zäher Forscher, der zu kämpfen verstand, und nicht nur dies, er verstand auch zu siegen. Am Ende des zähen Kampfes hatte er alle seine Pläne durchgesetzt und darüber hinaus das Krankenhaus Sainte-Adeline zu dem führenden Herzkrankenhaus Europas, wenn nicht der ganzen Welt, gemacht. –
    Der seltsame Name Azzocottalyt setzt sich aus den wichtigsten Funktionsstoffen zusammen, und diese sind: Azzola – Wasserfarne, Cottonöl = Baumwollsamenöl und Akunit = Alaunstein. Dazu kommen allerdings zwei Chemikalien, deren Namen und chemische Konstruktionspläne Professor Labonne geheimhält; auch jetzt noch, nach diesem so schrecklichen Ende eines so erfolgreich durchgeführten Versuchs.
    Fünf Frauen zwischen 72 und 31 Jahren waren die ersten, denen das Azzocottalyt-Herz das Leben retten sollte und das auch fast ein Jahr lang mit splendidem Erfolg getan hat. Wenn ich sage »fast ein Jahr lang«, so meine ich damit, daß es nicht ganz ein Jahr geworden ist. Ein einziger Tag hat daran gefehlt.
    Zur Feier dieses so heiß ersehnten Tages hatte Professor Labonne die ersten fünf Frauen, die sein Kunstherz trugen, nach Paris eingeladen. Sie trafen einen Tag zuvor ein, um am Nachmittag der Presse und am folgenden Vormittag der medizinischen Welt vorgestellt zu werden. Zu letzterem ist es dann jedoch nicht mehr gekommen.
    Doch nun muß ich zunächst wohl die fünf Frauen vorstellen. Es waren: Madelaine Canniste (72) aus Toulouse, Fleur Baîon (66) aus Arles, Denise Zézalon (51) aus Montpellier, Zosima Haudron (45) aus Tetuan (die einzige Nichtfranzösin) und Georgette Cariâtre (31) aus La Condamine.
    Wie gut sich das ganze Unternehmen angelassen hatte, zeigt sich in der Dauerfunktion der Kunstherzen, die nicht einen einzigen Ausfall in den 364 Tagen seit der Operation zu verzeichnen hatten. Im Gegenteil: Alle fünf Frauen gingen ihren üblichen Beschäftigungen nach. Denise, Zozima und Georgette waren berufstätig, die 31jährige Georgette Cariâtre hatte nach der Operation sogar ihren sehr anstrengenden Beruf, sie war Hochseilakrobatin, wieder aufgenommen.
    Wenn man dieses alles berücksichtigt, kann man Professor Labonne zu seinem Azzocottalyt-Herzen nur gratulieren; um so bedauerlicher ist es, wenn nunmehr an seinem Werk der Makel dieses betrüblichen Ausgangs wohl immer hängen bleiben wird.
    Obgleich Labonnes Interesse voll und ganz seinem Beruf gilt, versteht er es durchaus, Feste zu feiern, mithin auch an den angenehmen Seiten des Lebens zu partizipieren. Er hatte dem nüchternen Speisesaal des Krankenhauses mit Lorbeerbäumen und Blumenkaskaden

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