Jenseits Der Schatten
Stattdessen hast du sie sein lassen, wer sie sind.«
»Das ist gesunder Menschenverstand.«
»Bei den Titten des Seraphs, Vi, der Feuerball eines Magus nutzt nichts, wenn der Mann einen Sumpf nicht überqueren kann, um in die Schlacht zu ziehen; sein Blitz kann niemanden verletzen, wenn er hungert. Wir hatten recht, was dich betrifft. Es mag gesunder Menschenverstand sein, aber niemand außer dir hätte diese Frauen dazu ermutigen können, gerade diese magischen Gewebe zu entwickeln. Willst du wissen, warum das so ist? Weil wir alle blinde Flecken haben, Vi, selbst du. Das Gute ist, dass deine blinden Flecken sich von unseren unterscheiden. Dein gesunder Menschenverstand setzt sich über unsere institutionelle Überzeugung hinweg, der wir seit dem Dritten Alitaerischen Abkommen anhängen: dass die Schwesternschaft vollkommen ist. Indem du gewisse Studienbereiche ausgeklammert hast, würden viele behaupten, dass du andeutest, Männer verstünden sich auf diese Arten von Magie besser als Frauen. Diese Feststellung wäre genug, um die meisten Schwestern zu lähmen und daran zu hindern, die Arbeit zu tun, die du tust. Selbst wenn sie mit dir übereinstimmten,
dass es wahr ist, würden sie eine Menge Energie darauf verwenden zu versuchen, die Tatsache zu verbergen, dass sie sich nicht dem Studium von Feuer, Blitz und Erdbeben widmen.«
»Ich treffe keinerlei Feststellungen«, entgegnete Vi. »Ich wette, ich kann einen Feuerball besser werfen als die meisten Magi, und ich habe nicht einmal daran gearbeitet. Ich versuche lediglich, unsere Ärsche zu retten.«
»Oh, nur weil eine Krise uns auszulöschen droht, denkst du, wir wollten aufhören, uns innerhalb der Chantry zu bekriegen?«
Vi zog die Brauen zusammen. »Ist das eine echte Frage?«
Schwester Ariel lachte. »Wie entwickeln sich denn die Dinge, ähm, an der konjugalen Front?«
»Was?« Gerade wenn Vi dachte, Schwester Ariel sei freundlich zu ihr, musste die Frau ein großes Wort hervorkramen, um Vi das Gefühl zu geben, dumm zu sein.
»Wie entwickeln sich die Dinge mit deinem Ehemann?«, fragte Schwester Ariel, nachdem sie sichergestellt hatte, dass niemand nahe genug war, um ihr Gespräch mit anzuhören.
Bei der bloßen Erwähnung Kylars konnte Vi ihn spüren, nur fünfzig Schritt entfernt, wo er im Keller ihres Hauses mit Durzo trainierte. Er schien trotz seiner vielen blauen Flecken glücklich zu sein. Vi heilte sie insgeheim von Zeit zu Zeit, wenn Kylar morgens schlief.
Der letzte Monat war schwierig gewesen, aber nicht annähernd so schlimm, wie Vi befürchtet hatte. Vi hatte erwartet, ständig Feindseligkeit durch das Band zu spüren, und wenn Kylar sie hasste, war es unmöglich, dass sie irgendetwas anderes als Elend empfand. Doch meistens dachte er gar nicht an sie. Sie trainierte und studierte so viele Stunden am Tag, wie ihr Körper ertragen konnte, und er tat das Gleiche. Wenn sie nach Hause kam, ging sie sofort zu Bett.
In der Zwischenzeit hatten Kylar und Elene einen Patr gefunden, der sie heimlich getraut hatte. Durzo, Uly, Schwester Ariel und Vi waren die einzigen Zeugen gewesen. Kylar war in Elenes Zimmer gezogen, obwohl der Vollzug ihrer Ehe unmöglich war - wann immer Liebkosungen einen etwas erotischeren Unterton bekamen, wurde Kylar übel. Seltsamerweise zeigten sie trotzdem das Strahlen Jungvermählter. Vielleicht war es umso intensiver, weil sie wussten, dass Elene nicht mehr viel Zeit blieb, daher berührten sie einander, wann immer sie konnten - wenn auch vorsichtig -, und verbrachten viele Stunden im Gespräch.
Vi wusste, dass Kylar der Sex ungeheuer fehlte. In manchen Nächten lag sie wach, nur durch eine Wand von ihm getrennt, wo er ebenfalls wach lag, während Elene sich an seine Brust kuschelte. Sie konnte den Schmerz des Verlangens spüren, aber sobald er dem Verlangen auch nur ansatzweise nachgab, wanderten seine Gedanken zu Vi, und mit eiserner Selbstbeherrschung machte er diesen Gedanken ein Ende und begann, alles zu bewundern, was er an Elene liebte.
Manchmal, das wusste Vi, hing diese eiserne Selbstbeherrschung nur noch an einem seidenen Faden, aber er hielt die Tür trotzdem geschlossen.
Zweimal waren sie sich in ihren Träumen begegnet.
»Du hasst mich nicht«, hatte Vi im ersten Traum gesagt. Sie hatte darüber gestaunt.
»Ich hasse den Preis, den wir zahlen müssen.«
»Kannst du mir jemals verzeihen?«, fragte sie.
»Ich versuche es. Du hast getan, was getan werden musste. Du bist keine schlechte Frau, Vi.
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