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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Kontingent ganz bestimmter Gewerbe zu vergeben. Daher waren Sa’kagé-Urkunden, sofern der Besitzer nicht noch die ursprüngliche Urkunde besaß, so gut wie Gold. Binnen Minuten wurden die Schreiber, die nicht zu den Sa’kagé gehörten, davongejagt oder dazu überredet, sich den Sa’kagé anzuschließen.
    In der Zwischenzeit schnellten die Lebensmittelpreise in die Höhe. Zähe Brotlaibe, die man am Morgen nicht für sechs Kupfermünzen hatte verkaufen können, gingen für zehn weg, nachdem sie einen vollen Tag in der Sonne hart geworden waren. Als
die Sonne unterging, improvisierten Menschen Holzrahmen mit Umhängen oder Decken, um sie zu Unterständen an der Mauer zu machen. Andere wickelten sich fest in ihre Mäntel, schoben sich ihre Börsen tief in ihre Gewänder und schliefen, wo sie lagen, allein oder, um der Wärme willen, in Gruppen.
    Natürlich schliefen nicht alle. Die Dunkelheit trieb die Gilderatten heraus, die nach leichter Beute suchten. Ein Mädchen beugte sich sogar über Kylar, der sich so lange nicht bewegt hatte, dass sie glaubte, er schlafe. Kylar wartete, bis das Gassenkind - er konnte es wegen des Schmutzes nicht einmal genau sagen, aber er hielt es für ein Mädchen - eine Hand an seine Börse gelegt hatte. Dann packte er das Kind, drehte ihm die Arme auf den Rücken und legte ihm eine Hand um die Kehle.
    »Bitte, Herr. Ich bin aufgestanden, um zu pissen, und jetzt finde ich meinen Pa nicht wieder.«
    »Kinder, die Eltern haben, sagen nicht ›pissen‹, wenn sie mit Erwachsenen sprechen. Zu welcher Gilde gehörst du?«
    »Gilde, Herr?«
    Kylar versetzte ihr eine Ohrfeige, aber nicht so schmerzhaft, wie Durzo es getan hätte.
    »Zum schwarzen Drachen.«
    »Der schwarze Drache?« Kylar lachte leise. »Das war meine alte Gilde. Wie viel müsst ihr heutzutage abgeben?«
    »Zwei Kupfermünzen.«
    »Zwei? Wir mussten vier bezahlen.« Kylar fühlte sich wie ein alter Knacker, der darüber sprach, wie viel härter das Leben in seiner Jugend gewesen war. Er ließ das Mädchen los. »Wie heißt du, Kind?«
    »Blau.«
    »Nun, Blau, sag dem Großen, er solle nicht versuchen, die Börse dieses fetten Mannes zu stehlen. Er schläft nicht. Wenn
ihr alle für eine Stunde von hier verschwindet, werde ich genug Geld zurücklassen, damit ihr eine Woche eure Gebühren bezahlen könnt. Wenn ihr es nicht tut, werde ich schreien, dass ich einen Dieb geschnappt habe, und allen sagen, dass sie nach Gilderatten Ausschau halten sollen, so dass ihr trotzdem abziehen müsst - und von Glück sagen könnt, wenn ihr nicht verprügelt werdet.«
    Er ließ sie gehen, und während sie ihre Truppe um sich scharte, wurde er unsichtbar und hob die Pflasterplatte an. Verborgene, in den Boden eingelassene Türen waren nie so sicher wie in Mauern eingelassene. Ganz gleich, wie sachkundig sie angelegt waren, sobald man eine Tür im Boden öffnete, bewegte man den Schmutz auf der Tür. Es würde das letzte Mal sein, dass Kylar dieses sichere Haus benutzen konnte. Ein sicheres Haus, das zu benutzen man sich fürchtete, war überhaupt kein sicheres Haus mehr, doch Kylar brauchte die Kleidung eines Edelmanns, Gold und neue Waffen.
    Statt die Leiter hinunterzusteigen, sprang er und zog schnell die Steinplatte hinter sich zu. Er überprüfte seine Fallen - eine auf der Leiter und zwei an der Tür. Alle waren unversehrt. Dann öffnete er langsam die hölzerne Tür. Die Angeln protestierten, und er nahm sich vor, sie zu ölen.
    Das winzige sichere Haus war tadellos sauber, auch wenn es muffig roch. Kylar überprüfte die oberste der kleinen Truhen. Über dem Riegel lag lose eins seiner eigenen Haare. Das Haar bot natürlich keinen narrensicheren Beweis, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Selbst in einem versiegelten sicheren Haus konnte man mit seinem eigenen Eintreten die Luft so weit aufwühlen, dass ein Haar herunterfiel. Aber wenn das Haar noch an seinem Platz war, war es unwahrscheinlich, dass jemand anderer eingedrungen war.
    Kylar schüttelte den Kopf. Er hatte nicht einmal die Absicht, länger als für einige wenige Minuten hierzubleiben, aber Durzos
Angewohnheit, Fallen zu überprüfen und jede Ecke nach möglichen Bedrohungen zu durchsuchen, hatte sich tief eingegraben.
    Und wo war Durzo? Was tat er? War er einfach in ein anderes Leben weitergezogen? War es so leicht für ihn, alles hinter sich zu lassen? Der Gedanke trübte Kylars Stimmung. Durzo war die zentrale Gestalt in Kylars Leben gewesen, und er hatte ihn verlassen.

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