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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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alt, und Miles versuchte, ihn sich um Großvaters Hals vorzustellen oder sich vorzustellen, wie er irgendwo im Schuppen oder in der Werkstatt hing. Und er versuchte, sich den Zahn in Mums Auto vorzustellen, vielleicht schaukelnd am Rückspiegel oder locker auf dem Armaturenbrett. Er konnte ihn nicht verorten. Er wusste nicht, wo.
    »Was ist das?«
    Miles sah auf. Hinter ihm stand Gary Bones. Der große Full-Forward, der Stürmer Gary Bones, der harte Schläge einsteckte und erwachsene Männer in die Knie zwang. Er nahm Miles die Schnur aus der Hand und ließ den Zahn in seiner fest geschlossenen Faust verschwinden.
    »Danke«, sagte er.
    Miles saß reglos da. Er sah zu, wie Gary Bones seine Angelrute, den Eimer für die Fische und den Haifischzahn wegtrug. Er sah ihn am Strand entlang in Richtung Klippe gehen. Er stellte sich vor, wie er hinter dem Hügel verschwinden würde und der Zahn für immer verloren wäre. Und da rannte Miles los. Er sprang auf und sprintete ihm hinterher, und als er den nassen Sand erreicht hatte, wurde er noch schneller. Dann warf er sich auf den dicken Rücken von Gary Bones.
    Die Zeit verschob sich merkwürdig.
    Miles war im Sand und spürte, wie ihm das kalte Wasser in die Hose lief, er spürte, wie sich die Hose vollsog und das Wasser bis zum Rücken drang. Auf seinen Schultern lagen Hände, stark und zupackend. Gary Bones’ Hände.
    Miles drehte den Kopf zur Seite, er sah hinaus aufs Wasser, das violett und metallisch in der Sonne zu glänzen schien, als die riesige Stirn von Gary Bones auf ihn niederging.
     
    Das Licht war grell und unscharf. Miles stützte sich langsam auf die Ellbogen, er versuchte, sich zu orientieren, schließlich entdeckte er Gary Bones, der im Sand stand. Er hielt etwas in den Händen. Eine Angel rute.
    »Sie ist kaputt«, sagte Gary Bones. »Vaters Angelrute – kaputt.« Er sah seltsam aus und klein wie ein Kind.
    Sie mussten beim Hinfallen darauf gelandet sein. Sie hatten sie zerbrochen.
    Miles stand auf, sein Gesicht pulsierte und pochte, es fühlte sich geschwollen an. Als er sich mit dem Handrücken die Nase abwischte, stach es höllisch. Blut tropfte herunter, blieb auf seinem Handrücken kleben.
    Ganz langsam ging er rückwärts, kleine Schritte, aber Gary Bones bemerkte es. Gary Bones kam näher. Miles wusste nicht, was er tun sollte, also fing er an zu reden, er redete laut über den Zahn und wie er ihn im Autositz gefunden hatte, ohne zu wissen, wem er gehörte, dass er aber glaubte, er könnte vielleicht etwas mit seiner Mum zu tun haben. Dass der Zahn vielleicht ihr gehört hatte. Und dass er glaubte, er sollte ihn aufbewahren, weil sie tot war. Weil sie gestorben war. Und er versuchte, Gary Bones nicht anzusehen, während er sprach. Er versuchte, auf den Boden zu sehen, aber Gary stand dicht vor ihm. Miles konnte ihn atmen hören.
    Die dicken Knöchel einer Faust gruben sich in Miles’ Rippen. Verharrten dort.
    »Wer sagt, dass ich ihn behalten will, hm? Wer?«
    Gary Bones starrte Miles an, auf seinem Gesicht ein hartes, gemeines Grinsen. Aber seine Faust verschwand. Er ließ den Zahn in den Sand fallen.
    »Wenn du nicht so ein kleiner Freak wärst, würde ich dir die Fresse einschlagen, Miles.«

E r war noch im Badezimmer und untersuchte sein Gesicht, als er den Transporter zurückkehren hörte. Seine Nase sah jetzt okay aus, sie blutete nur noch ein bisschen, aber um seine Zähne machte er sich Sorgen. Er hatte mit der Zunge an einem Zahn herumgespielt, der locker zu sein schien. Er hatte ihn hin und her bewegt, und es war eindeutig, dass der Zahn wackelte, sobald er ihn berührte. Er schob noch einmal prüfend die Lippen auseinander. Es war der kleine Zahn direkt neben den großen, den Schneidezähnen.
    »Verdammt noch mal, was ist denn mit deinem Gesicht passiert?« Joe stand hinter ihm und sah ihn im Spiegel an.
    Miles drehte sich um und schob seine Oberlippe noch ein Stück weiter zurück. »Meinst du, der wird rausfallen?«
    Joe nahm Miles’ Kinn in die Hand und drehte sein Gesicht ins Licht.
    »Der da.« Miles tippte mit seiner Zunge an den Zahn.
    Joe berührte ihn vorsichtig mit dem Finger. »Ich glaube, es ist okay, aber hör auf, daran rumzuspielen. Nimm die Zunge weg. Ich hol ein bisschen Eis.«
    Er ließ Miles’ Gesicht los und ging in die Küche, und dann stand Harry an der Tür und sah Miles an.
    »Bin hingefallen«, sagte Miles.
    Harry sagte nichts. Er stand nur da an der Tür, stumm und mit offenem Mund, und glotzte. Miles

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