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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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Wasser zu springen.
    Eine Drehung, zwei Drehungen, drei, und da war er: braun gefleckt und schleimig, schlammfarben, mit hervortretenden Augen, die zu weit auseinanderstanden. Riesige fächelnde Monsterflossen an beiden Seiten. George bugsierte den Fisch in ein Netz und ließ ihn in einen wassergefüllten Eimer plumpsen. Das Tier lag auf dem Boden, gegen das gelbe Plastik gedrückt, die Kiemen öffneten und schlossen sich. Es war eklig.
    »Plattkopf«, sagte George.
    Harry fing keinen weiteren Fisch mehr, aber George fing noch vier. Harry war glücklich, sich an der Angel festhalten, zuschauen und den Liedern zuhören zu können, die George vor sich hin summte. Und er dachte, dass er das Angeln vielleicht sogar mochte. Diese Art, zu angeln, dieses Vom-Land-aus-Angeln. Vielleicht war das der Grund, warum Joe und Miles es so mochten. Und er wusste, dass Großvater ihn mitgenommen hätte. Er war nur noch zu jung gewesen, zu klein, um mitzukommen, als Großvater noch gelebt hatte. Aber wenn Großvater nicht gestorben wäre, hätte er ihn auf jeden Fall mit zum Angeln genommen. Und es hätte Spaß gemacht, so wie jetzt.
    Als sie zurückkamen, nahm George die Fische aus und filetierte sie und machte sich daran, sie auf einer Platte über dem Feuer zu braten. Es roch gut, als die Fische mit Salz und Zitrone vor sich hin brutzelten. Harry sah fasziniert zu, wie etwas, das einmal hässlich und schlammfarben gewesen war, während des Garens strahlend weiß wurde.
    Das Fleisch war fest und süß; noch nie hatte Harry etwas so Leckeres gegessen.

D ad hatte Miles zurückgelassen, um das Boot sauber zu machen und mit der Fischfabrik zu verhandeln. Mit Männern zu verhandeln, die weiße Plastikanzüge trugen und von oben bis unten mit Blut und Innereien beschmiert waren. Männer mit scharfen Messern und Gesichtern, die nicht lächelten, absorbiert vom Neonlicht. So sah es in dieser Fischfabrik aus, Innereien von Fischen und Blut. Es stank nach warmer Fischhaut und Bleichmittel. Und alle, die dort arbeiteten, rochen auch so. Der Geruch ließ sich nicht abwaschen. Die Haut saugte das Fischöl auf, und es blieb.
    Die meisten Kinder arbeiteten irgendwann da. Miles kannte sie; Kinder, die vor dem Ende der neunten Klasse von der Schule abgegangen waren. Sie sahen nicht mehr wie Kinder aus. Sie waren hart geworden. Kräftige Armmuskeln und schwere Hände. Sie entschuppten die Lachse aus den Lachsbassins und nahmen sie aus, sie lösten die Abalone aus der Schale und füllten sie in Dosen. Dad sagte, wenn Miles nicht hart genug arbeitete, wäre er eines Tages auch dort. Falls sie das Boot verlieren würden.
    Als Dad ihn abholte, war es bereits dunkel. Er sagte nicht, wo er gewesen war. Er fuhr schnell, nahm die Kurven mit rasender Geschwindigkeit, und Miles musste sich an der Tür festhalten, um nicht aus dem Sitz zu rutschen und gegen Dad geworfen zu werden.
    Seit ihm Martin nicht mehr im Weg stand, lag Jeff Dad damit in den Ohren, dass sie anfangen sollten, drüben an der Acton Insel zu tauchen oder unten am Kap.
    »Wozu Zeit verschwenden? Gegen die großen Boote kommen wir sowieso nicht an«, sagte er.
    Er erwähnte auch noch andere Stellen. Alle lagen sie außerhalb der Fangzone. Und nachmittags machten Dad und Jeff sich im Lieferwagen davon. Vielleicht fuhren sie die Küste hinunter, wo sie nah am Ufer wildern konnten, ohne gesehen zu werden, unter den hohen Klippen und Felsen, zu denen keine Straße führte. Morgens waren dann immer schon einige Wannen voller Abalone auf dem Boot. Große, fette Abalone.
    Als sie das gerade, asphaltierte Stück Straße erreichten, brachte Dad den Lieferwagen noch mehr auf Touren. Miles sah geradeaus, und vor ihnen im Dunkel, vielleicht noch zweihundert Meter entfernt, tauchten die riesigen Scheinwerfer eines Lastwagens auf. Der Lastwagen kam auf sie zu. Und Dad fuhr nicht mal auf seiner Seite der Straße. Er war wie immer in der Mitte. Er fuhr mitten auf der Straße.
    Miles ließ den Lastwagen nicht aus den Augen, er ließ die Scheinwerfer nicht aus den Augen, die jetzt vielleicht noch hundert Meter entfernt waren. Dann gingen die Lichter aus.
    Der Lastwagen war verschwunden. Nur sein Geräusch war zu hören und das Geräusch des Lieferwagens im Dunkel der Straße.
    Dads Gesicht war leer. Miles wollte etwas sagen, er wollte schreien: »Fahr rüber!«, aber schon war der Lastwagen da, direkt vor ihnen. Die volle Kraft seiner Hupe erfüllte die Luft, die Nacht und das Auto. Miles spürte die Nähe des

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