Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett

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schob sich an ihm vorbei und folgte Joe in die Küche.
    Joe gab ihm eine Handvoll Eiswürfel, die er in ein altes Abtrockentuch gewickelt hatte, und schob ihn hinaus auf die Veranda. Miles hielt das Tuch seitlich leicht gegen die Nase gedrückt. Es roch stark nach Fett, Öl und altem Kochfleisch. Das Wasser tropfte ihm langsam durch die Finger, und Miles beobachtete, wie die Tropfen auf der breiten alten Holzdiele landeten. Er beobachtete, wie das Holz das Wasser aufsaugte.
    Joe spürte er direkt hinter seinem Rücken, so nah, dass sie sich fast berührten. Er konnte hören, wie Joe wartete.
    »Bin hingefallen«, sagte Miles.
    Joe sog die Luft ein und nahm Miles das Abtrockentuch mit Eis aus der Hand. Er wollte weggehen, aber Miles hielt ihn auf.
    »Ich weiß, was mit Mum passiert ist«, sagte er. »Du glaubst, ich weiß es nicht, aber ich weiß es. Ich weiß, dass sie das Auto mit Absicht zu Schrott gefahren hat. Sie wollte sterben.«
    Joe packte ihn. Er nahm Miles’ Oberarme fest in den Griff.
    »Wieso sagst du das? Wieso denkst du so was überhaupt? Scheiße, Miles, das ist nicht wahr!« Er schleuderte das Abtrockentuch zu Boden, und die Eiswürfel schlitterten über das Holz. »Sie hatte dieses Dings, diesen Zustand – Bluthochdruck. Sie hat Tabletten dagegen genommen. An dem Tag im Auto war ihr Blutdruck richtig hoch, und sie hatte einen Herzinfarkt. Das war’s. Sie ist einfach gestorben. Sie hatte einen Herzinfarkt und einen Unfall und ist verdammt noch mal einfach gestorben.«
    Joe schob Miles zur Seite. Er stürmte in die Küche und schlug die Tür hinter sich zu. Aus dem Augenwinkel sah Miles, dass Harry dabeigestanden und alles gesehen und gehört hatte. Aber Miles rührte sich nicht. Er sagte nichts. Er schloss die Augen und tat so, als wäre Harry nicht da, als könnte er ihn weder hören noch spüren. Als existierte Harry nicht.
    Er schob eine Hand in die Hosentasche und umklammerte den Haifischzahn, sodass die scharfen Kanten in seine Haut stachen.
    Er wusste, der Zahn gehörte ihm. Es war seiner.

H arry stand auf. Auf der Küchenuhr war es 9 Uhr 20 . Er hatte ewig geschlafen, er hatte noch nicht einmal gehört, wie Miles aufgestanden und gegangen war.
    Es war noch immer kein Brot da, aber es war Mittwoch. Montags, mittwochs und freitags wurde Milch geliefert, und manchmal bestellte Dad auch Brot, falls er daran dachte. Harry zwängte seine Füße in die Gummistiefel und rannte die Einfahrt zur Straße hinunter. Er öffnete den Fliegenschrank, der am Drahtzaun hing. Nur Milch. Er trug die beiden Flaschen in die Küche und goss sich ein Glas ein.

    Als Harry bei Georges Haus ankam, war niemand da. Er wartete eine Weile auf der Veranda, ging dann langsam zum hinteren Teil des Grundstücks, am Gemüsebeet und am Holzhaufen vorbei. Er kam an der Räucherkammer vorüber, die nicht mehr genutzt wurde. Es war kein Rauch, kein Geruch in der Luft. Er ging weiter und bemerkte einen Schuppen, den er vorher nicht gesehen hatte. Er lag direkt zwischen den Bäumen und hatte keine Tür, nur eine Öffnung, eine fehlende Mauer. Er war voller Gerümpel: verrostete Farbbüchsen, ein alter Rasenmäher, eine Metallbadewanne voll zerbrochener Fliesen und Schutt. Harry ging nicht weit hinein, denn er wusste, dass es dort Spinnen gab, nicht nur die Riesenkrabbenspinne, sondern auch gefährliche Spinnen wie die Rotrückenspinne und diese glänzenden schwarzen, die sich im zerfressenen Metall von kaputten Traktoren und verrosteten Autos versteckten. Er achtete darauf, nichts zu berühren. Als er den Schuppen verließ, hörte er einen Hund bellen. Es war Jake. Das Geräusch kam von der Bucht her. Harry folgte ihm.
    George stand in seinen dunkelgrünen Watstiefeln unten am Ufer. Es war Ebbe, und das Wasser hatte sich weit zurückgezogen. Es stank nach Moder und Schlamm. Jake sprang vom schmalen Holzsteg herunter, lief um Harrys Beine herum und leckte ihm die Hände. George kletterte über die Leiter in seinen alten Holzkutter. Er setzte sich und klopfte auf den Platz neben sich.
    Er wollte, dass Harry mitkam.
    Selbst Jake hatte keine Angst. Er lief an Harry vorbei, war mit einem Satz im Boot und hockte sich an die Spitze des Bugs.
    »Mir wird schlecht«, sagte Harry leise.
    Das Wasser war ruhig, braun und verschlickt, der Fluss hatte Gerbstoff hineingespült, aber George würde ins Tiefe fahren, an den vorderen Klippen vorbei, weit hinaus, dorthin, wo die Dünung nach einem griff, sobald der Motor aus war. Da draußen