Jenseits der Untiefen

Harry zu. Es fiel vor seinen Füßen in den Sand, und Harry sah es eine ganze Weile an. Er vergaß sogar zu kauen.
    »Ist der Hai da schon raus?«, fragte er schließlich.
    Miles nickte. Die braune Schale war aufgebrochen, der Inhalt längst verschwunden.
    »Ich hab das nicht gefunden.«
    »Hättest du aber, wenn du da drüben richtig nachgeguckt hättest.«
    Harry legte den Rest des Kuchenstücks zurück. Er berührte das Ei mit den Fingern, hielt es ins Licht.
    Er nickte.
    »Danke«, sagte er.
     
    Joe berührte Miles am Arm. Die Sonne war gewandert, die Zeit war weitergegangen, verstrichen.
    Miles bückte sich und legte das Haifischei in das Sandloch. Er legte das Seepferdchen dazu, die Sepiaschale hielt er fest in der Hand. Er würde sie behalten. Er würde sie mitnehmen. Nur dieses eine Stück.
    Joe schüttete das Loch zu. Er drückte den Sand fest und markierte die Stelle mit Muscheln, die sie auf dem Weg durch die Dünen gesammelt hatten. Verwitterte Muscheln, weiß und uralt. Muscheln, die schon ewig in Cloudy lagen.
    Es wurde Zeit, zu gehen.
    Joe schüttelte George zum Abschied die Hand, und als Miles dasselbe tun wollte, nahm George ihn in die Arme und zog ihn fest an sich.
    »Schau nicht zurück«, sagte er, und die Worte flossen wie immer ineinander. Aber Miles verstand ihn. Und er wusste, dass er nicht hierher zurückkommen würde, jedenfalls sehr lange nicht. George drückte ihm etwas in die Hand. Etwas kleines Kaltes, das in seine Haut schnitt.
    Es war der Zahn des Weißen Hais. Er kehrte zu ihm zurück.
    Und Miles sah Onkel Nick vor sich, wie er ins Auto stieg. Wie er sich nach hinten lehnte und Harrys Wange streichelte und dann Miles anschaute.
    »Der ist für dich«, sagte Onkel Nick.
    »Er soll dir Glück bringen.«
    Miles sah zu George auf, die Augen voller Tränen.
    »Du hast ihn also gefunden«, sagte er. »Harry.«
    Und George nickte. »Ja«, sagte er sanft.
    Jake bellte, und George winkte ihnen nach, als sie mit dem Dinghy hinaus zum Segelboot fuhren. Miles sah ein letztes Mal über den weiten geschwungenen Strand von Cloudy Bay. Von all den Orten, von all den Klippen und Felsen, dem schwarzen Wasser und den heranrollenden perfekten Wellen wäre dies der einzige Ort, den er vermissen würde. Cloudy war etwas Besonderes, heller als andere Strände, und Harry durfte jetzt für immer hier sein. Er durfte über diesen Strand rennen bis ans Ende aller Tage.
    Draußen, jenseits der Untiefen, jenseits der sandbödigen Buchten, kommt das dunkle Wasser – schwarz, kalt und tosend. Es rollt die unsichtbaren Pfade aus, es bahnte einen neuen Weg, dem sie folgen konnten.
    Ins Warme.
    Ins Unbekannte.

Danksagung
    Mein herzlicher Dank gilt:
    Vanessa Radnidge dafür, dass sie an dieses Buch geglaubt hat und sich so für seine Veröffentlichung eingesetzt hat. Janey Runci für die jahrelange Unterstützung und Inspiration. Dem Queensland Writers Center, der Australian Society of Authors, Julia Stiles und Roberta Ivers, Fiona Hazard, Kate Ballard, Laura Drewe, Matt Richell, Louisa Dear, Clare Meldrum, Emily Brannan, Brendan Fredericks, Heather Young, Dannielle Williams, Jodie Mann, Daniel Pilkington und dem Team von Hachette, David Kneale, James, Chiyoko und Haruki Parrett, Mum und Steve, Amanda Graham, Kim Bear, Robyn Bunting und Max, Edwinda Shaw, Jacinda Pfeffer, Fotina, Kathryn und Siobahn, Angela Slatter, Joondo 8 , der Musik von Gareth Edwards und schließlich all den großartigen Schriftstellerkolleginnen und -kollegen, die mir auf dem Weg geholfen haben.

Über Favel Parrett
    Foto: Erin King
    Favel Parrett, geboren 1974 , wuchs in Tasmanien auf. Sie veröffentlichte Short Stories in Zeitschriften, bevor sie 2011 mit ihrem ersten Roman
Jenseits der Untiefen
debütierte. Er wurde von Lesern und der Presse begeistert aufgenommen und u.a. für die Shortlists des Miles Franklin Award und des Melbourne Award nominiert. Ihr Debüt wurde mit dem Newcomer of the Year, Australian Book Industry Award ausgezeichnet sowie mit dem Dobbie Award für Schriftstellerinnen. Die Autorin und leidenschaftliche Surferin lebt heute in Victoria (Australien).

Impressum
    Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
Past the Shallows
bei Hachette, Australien.
     
    Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.
     
    1 . Auflage 2013
    Copyright © 2011 by Favel Parrett
    Für die deutschsprachige Ausgabe
    Copyright © 2013 by Hoffmann und Campe Verlag,